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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Arbeit, das sie R.J. lächelnd gab. Es war vergilbt und spröde und steckte in einer transparenten Schutzhülle.
    »Mary Stern hat es im Archiv der Historic Society gefunden«, sagte Toby. »Da es an einen Vorfahren meines Mannes adressiert war - den Bruder seiner Ururgroßmutter -, hat sie es uns gebracht.«
    Es war eine Arztrechnung, adressiert an Alonzo S. Sheffield, für einen »Praxisbesuch, Grippe - 5O Cent«. Der Name im Briefkopf lautete »Doctor Peter Elias Hathaway«, und das Datum war der 16. Mai 1889.
    »Drehen Sie die Rechnung um!« sagte Toby zu R.J.
    Auf der Rückseite stand ein kleines Gedicht:
    Erst wenn Gefahr droht, nicht davor, leihen wir Gott und dem Arzt unser Ohr.
    Ist die Gefahr gebannt, hör'n wir auf keine Mahnung; Nicht zum Gebet, erst recht nicht zur Bezahlung.
    Toby gab die Rechnung an die Historic Society zurück, aber erst nachdem sie das Gedicht kopiert und für die ausstehenden Rechnungen in den Computer eingegeben hatte.
    David redete die ganze Zeit über Sarah, und R.J. ermutigte ihn dazu. Eines Abends holte er Fotos heraus, vier dicke Alben, die das Leben dieses einen Kindes dokumentierten. Auf einem Bild war Sarah als Neugeborenes zu sehen, in den Armen der Großmutter mütterlicherseits, der verstorbenen Trudi Kaufman, einer korpulenten Frau mit einem breiten Lächeln. Auf einem anderen sah man Sarah im Laufstall, wie sie ihrem Vater sehr aufmerksam beim Rasieren zusieht. Viele der Bilder hatten eine Geschichte. »Siehst du diesen Schneeanzug da? Marineblau, ihr erster Schneeanzug. Sie war gerade ein Jahr alt. Natalie und ich waren sehr stolz darauf, daß sie kein Windelhöschen mehr brauchte. An einem Samstag gingen wir mit ihr zu Abraham & Strauss , diesem hübschen Kaufhaus in Brooklyn. Es war Januar, kurz nach den Feiertagen, und es war sehr kalt. Weißt du, was das heißt, ein kleines Kind für die Kälte anzuziehen? Die ganzen Schichten, die man ihm überziehen muß?« R.J. nickte lächelnd.
    »Sie hatte so viele Kleiderschichten am Leib, daß sie aussah wie ein kleiner Ball, wie eine kleine Biskuitrolle. Da sind wir also bei A & S im Lift, und der Aufzugführer ruft in jedem Stockwerk die Abteilungen aus. Zuvor hatte ich Sarah getragen, aber jetzt steht sie zwischen uns auf dem Boden, und Natalie und ich halten sie bei den Händen. Und plötzlich sehe ich, daß sich um die zwei kleinen Babyfüße herum ein feuchter Kreis auf dem Teppichboden des Lifts gebildet hat. Und Sarahs Beinchen sind irgendwie dunkler, anders blau als der Rest ihres Schneeanzugs. Wir hatten was zum Wechseln für sie im Auto, und ich bin hinunter in die Garage gerannt und habe die Sachen geholt. Wir mußten ihr also alle diese nassen Schichten ausziehen und die ganzen trockenen wieder anziehen. Aber der Schneeanzug war durchnäßt, wir sind deshalb in die Kinderabteilung gegangen, um ihr einen neuen zu kaufen.«
    Sarah an ihrem ersten Schultag. Sarah als dünne Achtjährige, wie sie im Urlaub am Old Lyme Beach in Connecticut im Sand spielt. Sarah mit Zahnspange und einem breiten, übertriebenen Lächeln, damit man die Spange nur ja gut sieht. Auf ein paar Bildern war David zu sehen, aber er hatte wohl meistens hinter der Kamera gestanden, denn auf vielen Schnappschüssen war Natalie. R.J. musterte sie verstohlen. Sie war eine hübsche, selbstbewußte junge Frau mit langen schwarzen Haaren gewesen, und sie wirkte auf R.J. beinahe schockierend vertraut, denn ihre sechzehnjährige Tochter sah ihr sehr ähnlich.
    Auf eine tote Frau eifersüchtig zu sein hatte etwas Falsches, fast Krankhaftes, aber R.J. war eifersüchtig auf diese Frau, die gelebt hatte, als diese Aufnahmen gemacht wurden. Sie war die Frau, die eine Tochter empfangen und auf die Welt gebracht hatte, die Sarah erzogen und ihr ihre Liebe geschenkt hatte. Mit Unbehagen stellte R.J. fest, daß ihre Zuneigung zu David teilweise auch von ihrer Sehnsucht nach einer Tochter herrührte und daß sie nicht zuletzt deshalb so großes Interesse an dem Mädchen hatte, das er und Natalie Kaufman gezeugt hatten.
    Wenn sie zu Fuß unterwegs war, dachte sie hin und wieder an Sarah und deren Sammlung, und dann hielt sie Ausschau nach Herzsteinen, doch ohne Erfolg. Meistens war sie jedoch zu beschäftigt, um an dergleichen zu denken, und sie hatte zu wenig Zeit, um ein paar angenehme Minuten mit Steinesuchen zu verbringen.
    Dann geschah es ganz zufällig, sie hatte einfach Glück. An einem heißen Hochsommertag stahl sie sich in den Wald und zog am Fluß

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