Medicus 03 - Die Erben des Medicus
also doch du«, rief Sarah von ihrem geöffneten Fenster herunter.
Einen Augenblick später war sie an der Tür. »Wow! Das muß aber ein großer Stein sein«, sagte sie, und R.J. lachte, als Sarah die unerwartet leichte Schachtel hochhob.
»Komm rein! Ich mach dir Kaffee«, sagte Sarah.
Dann saßen sie am Küchentisch und lächelten sich verlegen an.
»Ich habe die zwei Herzsteine, die du mir geschenkt hast, sehr gern. Ich werde sie immer in Ehren halten«, sagte R.J.
»Der kristallene ist mein Liebling, zumindest im Augenblick. Bei mir wechselt das ziemlich oft«, sagte Sarah, um Ehrlichkeit bemüht. »Es heißt, Kristalle haben die Kraft, Krankheiten zu heilen. Glaubst du das?«
Auch R.J. gab ihr eine ehrliche Antwort. »Ich bezweifle es, aber ich habe noch keine Erfahrung mit Kristallen gemacht, also kann ich es eigentlich nicht sagen.«
»Also, ich glaube, daß Herzsteine magische Kräfte haben. Ich weiß, daß sie Glücksbringer sind, und ich trage immer einen bei mir. Glaubst du an das Glück?«
»O ja. An das Glück glaube ich auf jeden Fall. Wirklich.«
Während der Kaffee durch die Maschine lief, stellte Sarah das Paket auf den Tisch und schnitt das Klebeband auf. Lachend arbeitete sie sich durch die vielen Schichten und Hindernisse.
Als sie dann den winzigen, schwarzen Herzstein sah, hielt sie die Luft an. »Das ist bis jetzt der Schönste.«
Überall auf dem Boden waren Papierknäuel und Popcorn verstreut, R.J. kam sich vor, als hätten sie an Weihnachten Pakete geöffnet. Und so traf David die beiden an, als er im Pyjama in die Küche kam und sich nach Kaffee umsah.
R.J. begann sich mehr um ihr Haus zu kümmern. Sie genoß es, ihr eigenes Nest einzurichten, ohne die Vorlieben und Abneigungen eines anderen Menschen berücksichtigen zu müssen.
Inzwischen waren die Bücher aus dem Haus an der Brattle Street eingetroffen. Sie bot die medizinische Versorgung von vier Kindern zum Tausch gegen Schreinerarbeiten von deren Vater, George Garroway. In einer kleinen Ein-Mann-Sägemühle kaufte sie abgelagertes Holz. In Boston wären die Kirschholzbretter wahrscheinlich künstlich getrocknet und unverschämt teuer gewesen, Elliot Purdy dagegen machte alles selbst. Er fällte Bäume von seinem eigenen Grund, sägte die Bretter und stapelte sie an der Luft zum Trocknen auf. Der Preis war deshalb vernünftig. R.J. und David brachten die Bretter in seinem Pick-up zum »Haus an der Grenze«, und Garroway zog an den Wänden des Wohnzimmers Regale hoch. R.J. brachte Abend um Abend damit zu, sie zu schleifen und mit Leinölfirnis einzureiben. Oft half David ihr dabei und manchmal auch Toby und Jan, die sie dann mit einem Spaghettiessen und Opernmusik aus dem CD-Player belohnte. Als schließlich alles fertig war, verströmte das Zimmer eine Wärme, wie nur der matte Glanz von Holz und die Rücken vieler Bücher sie vermitteln können. Zusammen mit den Büchern hatte sie sich aus dem Lagerhaus in Boston auch den Stutzflügel kommen lassen, den sie jetzt vor das Wohnzimmerfenster stellte, und den Perserteppich, der in dem Haus in Cambridge ihr Lieblingsstück gewesen war. Der antike Heris war vor einhundert Jahren einmal leuchtend bunt gewesen, aber mit der Zeit hatte sich das Rot in einen Rostton gewandelt, die Blau- und Grünnuancen waren zu feinen, zarten Schattierungen verblaßt, und das Weiß entsprach jetzt einem sanften Cremeton.
Ein paar Tage später fuhr ein Transporter von Federal Express auf R.J.s Hof, und der Fahrer übergab ihr ein sperriges Paket mit Frachtaufklebern aus den Niederlanden. Es war das Service, das Betts Sullivan ihr vermacht hatte, ein wunderschön gearbeitetes silbernes Tablett, dazu Kaffeekanne, Teekanne, Zuckerdose und Sahnekännchen. Einen ganzen Abend lang polierte sie die schweren Stücke und stellte sie dann auf die Kommode, damit sie das Service wie den Heris sehen konnte, wenn sie am Stutzflügel saß und spielte. Sie spürte eine tiefe Zufriedenheit, ein Gefühl, das sie noch nicht recht kannte, an das sie sich aber sehr leicht gewöhnen konnte.
David blieb fast die Luft weg, als er das Silberservice sah. Er zeigte sich sehr interessiert, als sie ihm von Elizabeth Sullivan erzählte, und war gerührt, als sie ihn zu der Lichtung am Fluß führte, wo sie Betts' Asche begraben hatte.
»Kommst du oft hierher, um mit ihr zu reden?«
»Ich komme hierher, weil mir diese Lichtung gefällt. Aber nein, ... mit Elizabeth rede ich nicht«
»Willst du ihr nicht sagen, daß ihr
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