Medicus 03 - Die Erben des Medicus
jüdische Freunde aussuche, und deshalb gehören wir zu der Gemeinde in Greenfield. Aber Greenfield ist zu weit weg, ich habe dort keine wirklich engen Freunde. Außerdem hat er mir mein ganzes Leben lang gepredigt, daß man niemanden nach seiner Rasse oder seiner Religion beurteilen soll. Gilt das alles nicht mehr, wenn man anfängt, mit Jungs auszugehen?« Sie machte ein finsteres Gesicht »Mir ist aufgefallen, daß deine Religion unwichtig war, als er dich kennenlernte.«
R.J. nickte nachdenklich.
»Bobby Henderson ist wirklich nett, und er ist auch sonst sehr gut für mich. Richtige Freunde in der Schule habe ich erst, seit ich mit ihm gehe. Er spielt in der Football-Mannschaft, und im Herbst wird er Co-Captain. Er ist sehr beliebt, und das hat mich ebenfalls beliebt gemacht, verstehst du?«
R.J. nickte, doch ein wenig Sorgen machte sie sich schon. Sie verstand, was Sarah meinte. »Nur eins, Sarah. An diesem Abend, da hatte dein Vater recht. Du hast zwar nichts verbrochen, aber daß du dieses Liedchen mitgesungen hast, war nicht gerade ein Zeichen von Selbstachtung. Solche Lieder ... die sind fast wie Pornographie. Wenn du Männer ermutigst, Frauen als Sexualobjekte zu betrachten, dann werden sie dich auch so betrachten - wie Frischfleisch.«
Sarah sah R.J. an, ganz offensichtlich überdachte sie noch einmal, was sie von der älteren Frau halten sollte. Ihr Gesicht war sehr ernst »Bobby betrachtet mich nicht so. Ich habe eigentlich Glück, daß er mein Freund ist, schließlich bin ich ja nicht gerade eine Schönheit«
R.J. runzelte die Stirn. »Das war ein Witz, oder?«
»Was?«
»Entweder du machst dich über mich oder über dich selber lustig. Du siehst doch toll aus.«
Sarah wischte Erde von einer weißen Rübe, legte sie in den Korb und stand auf. »Schön wär's.«
»Dein Vater hat mir eine Menge Bilder gezeigt, in diesen Alben, die er im Wohnzimmer stehen hat. Es waren auch welche von deiner Mutter dabei. Sie war sehr schön, und du siehst genauso aus wie sie.«
Sarahs Augen leuchteten auf. »Das hat man mir schon öfter gesagt, daß ich ihr ähnlich sehe.«
»Ja, du siehst ihr sehr ähnlich. Zwei schöne Frauen.«
Sarah kam einen Schritt auf sie zu. »Tust du mir einen Gefallen, R.J.?«
»Natürlich, wenn ich kann.«
»Verrat mir, was ich gegen die da machen kann«, sagte sie und deutete auf die beiden Pickel auf ihrem Kinn. »Ich verstehe nicht, warum ich sie bekommen habe. Ich schrubbe mir das Gesicht, esse die richtigen Sachen. Ich brauche nie einen Arzt. Ich habe noch keine einzige Füllung in meinen Zähnen. Und ich schmiere mich mit Gesichtscreme ein, bis mir die Finger abfallen, aber...«
»Laß die Gesichtscreme weg! Nimm lieber Wasser und Seife, und geh sanft mit dem Waschlappen um, weil die Haut sehr leicht zu reizen ist! Ich werde dir eine Salbe geben.«
»Und das hilft?«
»Ich glaube schon. Probier's mal!« Sie zögerte. »Sarah, manchmal gibt es Sachen, über die kann man mit einer Frau leichter reden als mit einem Mann, auch wenn's der eigene Vater ist. Wenn du je Fragen hast oder einfach über irgendwas quatschen willst...«
»Danke. Ich habe gehört, was du an dem Abend zu meinem Vater gesagt hast, daß du mich in Schutz genommen hast. Ich danke dir dafür.« Sie kam auf R.J. zu und drückte sie an sich.
R.J. wurden die Knie weich, sie hätte Sarah gern ebenfalls gedrückt und ihr über die glänzenden schwarzen Haare gestrichen. Aber sie beschränkte sich darauf, ihr mit der Hand, in der sie keine Karotten hielt, etwas unbeholfen auf die Schulter zu klopfen.
Eine Gabe und wie man sie nutzt
In der Regel war es im Sommer wie im Winter auf den Hügeln etwa vier Grad kälter als im Flachland, aber in diesem Jahr war die dritte Augustwoche so drückend heiß, daß R.J. und David in den kühlen Schatten des Waldes flüchteten. Vom Ende des Pfades kämpften sie sich durch dichtes Unterholz bis zum Fluß weiter und liebten sich schweißtriefend auf den Tannennadeln am Ufer. R.J. war nervös aus Angst, daß ein Jäger sie überraschen könnte. Danach suchten sie sich eine Gumpe mit sandigem Grund, setzten sich nackt ins Wasser und wuschen sich gegenseitig mit bloßen Händen.
»Das ist der Himmel«, sagte sie.
»Zumindest das Gegenteil der Hölle«, erwiderte David nachdenklich.
Er erzählte ihr eine Geschichte, eine Legende. »In der Sheol, der feurigen Unterwelt, in die alle Sünder kommen, werden die Seelen jeden Freitagabend bei Sonnenuntergang von Malakh hamavet , dem
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