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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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ein, daß sie diese Gabe besaß. Sie erinnerte sich daran, was ihr Vater ihr darüber erzählt hatte. Sie merkte, daß sie bereit war, zu glauben. Vielleicht, sagte sie sich, sollte ich lernen, diese Gabe zum Kampf gegen den Malakh hamavet, wie David den dunklen Engel nennt, zu benutzen.
    Sie achtete darauf, daß sie immer Injektionsspritzen und einen Vorrat an Streptokinase in ihrer Arzttasche hatte, und sie ergriff die Hände ihrer Patienten, sooft sich ihr eine Möglichkeit dazu bot. Nur drei Wochen später, während eines Hausbesuchs bei Frank Olchowski, einem Mathematiklehrer an der High School, der mit Grippe im Bett lag, schüttelte sie seiner Frau Stella die Hand und spürte die Signale, die sie so fürchtete.
    Sie atmete tief durch und zwang sich, kühl und sachlich zu überlegen. Sie wußte zwar nicht, welche Art von Katastrophe sich da ankündigte, aber aller Wahrscheinlichkeit nach würde es sich um einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall handeln.
    Die Frau war dreiundfünfzig Jahre alt, hatte weit über zehn Kilo Übergewicht und war nervös und verwirrt. »Aber Frank ist doch der Kranke, Dr. Cole! Warum haben Sie den Krankenwagen gerufen? Und warum muß ich ins Krankenhaus?«
    »Sie müssen mir vertrauen, Mrs. Olchowski.«
    Als Stella Olchowski in den Krankenwagen verfrachtet wurde, starrte sie die Ärztin verständnislos an. R.J. begleitete sie auf der Fahrt. Sie legte ihr die Atemmaske an und stellte den Regler des Tanks auf hundert Prozent Sauerstoff. Der Fahrer war Timothy Dalton, ein Farmarbeiter. »Los jetzt, mit Tempo! Aber ohne Lärm!« sagte sie zu ihm. Im Gasgeben schaltete er das Blinklicht ein, aber nicht die Sirene; R.J. wollte Mrs. Olchowski nicht noch mehr beunruhigen.
    Auch Steve Ripley war verwundert, nachdem er die Vitalfunktionen der Patientin gemessen hatte. Der Sanitäter warf R.J. einen verständnislosen Blick zu. »Was fehlt ihr denn, Dr. Cole?« fragte er und griff nach dem Funkgerät.
    »Rufen Sie das Krankenhaus noch nicht an!«
    »Wenn ich jemanden ohne Symptome einliefere, ohne mich zuvor mit dem Arzt in der Notaufnahme in Verbindung gesetzt zu haben, dann bekomme ich ernste Probleme.« Sie sah ihn an. »Verlassen Sie sich dieses eine Mal auf mich, Steve!«
    Widerstrebend legte er den Hörer wieder auf. Je länger die Fahrt dauerte, desto unglücklicher wurden die Blicke, die er Stella Olchowski und R.J. zuwarf. Sie hatten etwa zwei Drittel des Weges zum Krankenhaus zurückgelegt, als Mrs.
    Olchowski plötzlich zusammenzuckte und sich die Hand an die Brust hielt. Sie stöhnte und sah R.J. mit weitaufgerissenen Augen an.
    »Noch mal die Vitalfunktionen, aber schnell!«
    »Mein Gott, sie hat schwerste Rhythmusstörungen.«
    »Jetzt können Sie die Notaufnahme anrufen. Sagen Sie, daß sie einen Herzinfarkt hat und daß Dr. Cole bei ihr ist! Und holen Sie für mich die Genehmigung ein, Streptokinase zu geben.« Noch während sie das sagte, stieß sie die Nadel ins Fleisch und drückte den Kolben in den Zylinder.
    Die Zellen des Herzmuskels wurden von Sauerstoff durchflutet, und als die Genehmigung durchgegeben wurde, hatte die Wirkung des Medikaments bereits eingesetzt. Bei der Einlieferung in die Notaufnahme konnte deshalb festgestellt werden, daß Mrs. Olchowskis Herz nur eine minimale Schädigung erlitten hatte.
    Zum erstenmal hatte R.J. also erlebt, daß diese merkwürdige Botschaft, die sie manchmal von Patienten empfing, deren Leben retten konnte.
    Die Olchowskis erzählten allen Freunden von ihrer Ärztin mit der wundersamen medizinischen Weisheit. »Diese Frau hat mich nur angesehen und wußte sofort, was passieren würde. Das ist vielleicht eine Ärztin!« Die Besatzung des Krankenwagens war derselben Meinung und tat das Ihrige, um die Geschichte auszuschmücken. Und R.J. genoß es, wie man ihr zulächelte, wenn sie zu Hausbesuchen unterwegs war. »Dieser Ort freut sich, wieder einen Doc zu haben«, erzählte Peg ihr. »Und die Leute sind stolz darauf, weil sie glauben, daß Sie eine verdammt gute Ärztin sind.«
    Auch wenn es R.J. verlegen machte, verbreitete sich die Botschaft doch über die Hügel und Täler. Eines Tages kam Toby von einer Parteiversammlung der Demokraten in Springfield zurück und berichtete von einem Delegierten aus Charlemont, der ihr erzählt hatte, er habe gehört, die Ärztin, für die sie, Toby, arbeite, sei ein sehr warmherziger, freundlicher Mensch. Sie halte den Leuten immer die Hände.
    Der Oktober beendete die Insektenplage und hüllte

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