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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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die Bäume in ein Kleid von unglaublicher Farbenvielfalt. Die Einheimischen meinten, das sei ein ganz gewöhnlicher Herbst, aber R.J. glaubte es nicht.
    An einem Altweibersommertag ging sie mit David im Catamount fischen, und er fing drei anständige Forellen und sie zwei, alle mit leuchtend bunten Kiemen, die ihre Paarungsbereitschaft signalisierten. Beim Ausnehmen sahen sie, daß zwei der Forellen Weibchen und voller Eier waren, die David beiseite legte, um sie später mit Hühnereiern zu braten. R.J. mochte sie nicht, denn sie hatte eine Abneigung gegen jede Form von Rogen.
    Dann saßen sie am Ufer, und R.J. merkte, daß sie mit David auf eine Art über ihre Erlebnisse mit der Coleschen Gabe sprach, wie sie es mit einem Medizinerkollegen nie gewagt hätte.
    David war ganz ernst. Er hörte mit großem Interesse, ja sogar, wie sie erkannte, mit Neid zu.
    »In der Mischna steht geschrieben ... Du weißt, was die Mischna ist?«
    »Ein heiliges Buch der Juden?«
    »Es ist die Grundlage der jüdischen Gesetze und des jüdischen Denkens, eine Textsammlung, die vor tausendachthundertjahren zusammengestellt wurde. Darin wird von einem Rabbi namens Hanina Ben Dosa berichtet, der Wunder wirken konnte. Er betete in Anwesenheit der Kranken und sagte dann immer: Dieser wird sterben oder Dieser wird leben , und es war immer so, wie er vorhergesagt hatte. Sie fragten ihn: Woher wisset Ihr das? Und er antwortete: Wenn mein Gebet mir flüssig über die Lippen geht, weiß ich, er wird aufgenommen. Und wenn nicht, weiß ich, er wird abgewiesen. «
    Sie war verärgert. »Ich bete nicht in Anwesenheit meiner Patienten.«
    »Ich weiß. Deine Vorfahren haben dieser Fähigkeit einen guten Namen gegeben. Sie ist eine Gabe.«
    »Aber... was genau ist es?«
    Er hob die Schultern. »Ein re ligiöser Weiser würde über dich und Rabbi Hanina sagen, daß ihr beide das Privileg besitzt, Botschaften zu vernehmen, die sonst niemand wahrnimmt.«
    »Aber warum ich? Warum meine Familie? ... Und von wem stammt die Botschaft?
    Bestimmt nicht von deinem Engel des Todes.«
    »Ich glaube, dein Vater hat recht mit seiner Vermutung, daß es eine genetische Gabe ist, eine Kombination aus mentalen und biologischen Sensoren, die dir zusätzliche Informationen vermitteln. Eine Art sechster Sinn.«
    Er streckte ihr beide Hände entgegen.
    »Nein. Laß das!« sagte sie, als sie begriff, was er wollte.
    Aber er wartete mit schrecklicher Geduld, bis sie seine Hände in die ihren nahm. Sie spürte nur die Wärme und die Kraft seines Händedrucks, und dann, wie sie schwach wurde vor Erleichterung, und sie spürte Wut auf ihn.
    »Du wirst ewig leben.«
    »Das werde ich, wenn du es auch tust.«
    Er redete, als wären sie Seelenverwandte. Sie dachte darüber nach, daß er bereits eine tiefe Liebe hinter sich hatte, eine Frau, die er angebetet hatte und jetzt betrauerte. R.J. hatte Charlie Harris gehabt, einen frühen Geliebten, der gestorben war, als ihre Verbindung noch vollkommen und unangefochten gewesen war, und dann eine schlechte Ehe mit einem egoistischen und unreifen Mann. So hielt sie weiter Davids Hände, sie wollte ihn nicht loslassen.

Neue Freunde
    An einem hektischen Nachmittag rief eine Frau namens Penny Coleridge in der Praxis an und wollte R.J. sprechen. »Ich habe ihr gesagt, daß Sie gerade einen Patienten haben und sie zurückrufen werden«, sagte Toby. »Sie ist eine Hebamme. Sie sagt, sie würde Sie gerne kennenlernen.« R.J. rief zurück, sobald sie Zeit dazu hatte. Penny Coleridge hatte eine angenehme Telefonstimme, aber es war unmöglich, anhand der Stimme ihr Alter zu schätzen. Sie sagte, daß sie seit vier Jahren in den Hügeln als Hebamme tätig sei. Es gebe noch zwei andere Hebammen - Susan Millet und June Todman -, die zusammen mit ihr praktizierten. R.J. lud alle drei für den Donnerstag, an dem sie ihren freien Nachmittag hatte, zum Abendessen ein, und nachdem Penny Coleridge sich mit ihren Kolleginnen besprochen hatte, sagte sie für alle drei zu. Sie erwies sich als liebenswürdige, stämmige Brünette, vermutlich Ende Dreißig. Susan Millet und June Todman waren etwa zehn Jahre älter. Susan hatte bereits graue Strähnen, aber sie und June waren beide Blondinen, die sich so ähnlich sahen, daß man sie für Schwestern hätte halten können. Dabei hatten sich die beiden erst ein paar Jahre zuvor kennengelernt. June hatte ihre Ausbildung im Hebammenprogramm an der Yale-New Haven erhalten. Penny und Susan waren Krankenschwestern und

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