Medicus 03 - Die Erben des Medicus
Hebammen; Penny war an der University of Minnesota, Susan in Urbana, Illinois, ausgebildet worden. Die drei machten deutlich, daß sie sehr froh über die neue Ärztin in Woodfield waren. Sie erzählten, daß einige Schwangere in den Hügelorten sich lieber von einem Gynäkologen oder einem Allgemeinarzt entbinden ließen und oft weit fahren mußten, um einen zu finden. Andere zogen die weniger invasiven Techniken der Hebammen vor. »In Gegenden, wo alle Ärzte Männer sind, kommen einige Frauen zu uns, weil sie sich lieber von einer Frau entbinden lassen wollen«, sagte Susan. Sie lächelte R.J. an. »Aber jetzt, da Sie hier sind, ist die Auswahl größer.«
Einige Jahre zuvor hatten die Gynäkologen in den größeren Städten politischen Druck auf die Hebammen ausgeübt, weil sie in ihnen Konkurrenz im Hinblick auf ihre Einkünfte sahen.
»Aber hier draußen auf dem Land machen die Ärzte uns keine Schwierigkeiten«, sagte Penny. »Es gibt mehr als genug Arbeit für alle, und sie sind froh, daß wir da sind und ihnen einen Teil der Last abnehmen. Vom Gesetz her müssen wir Gehaltsempfängerinnen sein, die entweder in einem Krankenhaus oder bei einem Arzt fest angestellt sind. Und obwohl Hebammen durchaus in der Lage sind, eine Zangengeburt oder eine Vakuumextraktion vorzunehmen, müssen wir für so etwas einen Gynäkologen hinzuziehen, so wie Sie auch.«
»Haben Sie schon einen Gynäkologen, der Ihnen in solchen Fällen hilft?« fragte June R.J.
»Nein. Ich wäre sehr froh, wenn Sie mir in dieser Hinsicht einen Rat geben könnten.«
»Wir haben bis jetzt bei einem guten jungen Geburtshelfer gearbeitet, Dr. Grant Hardy«, sagte Susan. »Er ist intelligent, unvoreingenommen und idealistisch.« Sie verzog das Gesicht.
»Ich fürchte, er ist zu idealistisch. Er hat eine Stelle im Gesundheitsministerium in Washington angenommen.«
»Haben Sie schon eine Vereinbarung mit einem anderen Gynäkologen getroffen?«
»Daniel Noyes wird uns übernehmen. Das Problem ist nur, daß er in einem Jahr in Pension geht, und dann müssen wir uns wieder auf die Suche machen. Wenn ich so überlege«, sagte Penny, »könnte er durchaus auch für Sie als gynäkologischer Beistand fungieren. Er ist nach außen hin ziemlich mürrisch und barsch, aber eigentlich ist er eine Seele von einem Menschen.
Er ist bei weitem der beste Geburtshelfer in der Gegend, und nach einer Vereinbarung mit ihm hätten Sie Zeit, sich bis zu seiner Pensionierung nach einem anderen Gynäkologen umzusehen.«
R.J. nickte. »Das klingt einleuchtend. Ich werde versuchen, ihn zu überreden, mit mir zu arbeiten.«
Die Hebammen waren sehr erfreut, als sie hörten, daß R.J. eine weiterführende Ausbildung in Gynäkologie und Geburtshilfe erfahren und in einer Ambulanz für hormonelle Probleme von Frauen gearbeitet hatte. Es war eine Erleichterung für die drei, daß sie zur Verfügung stand, falls sie medizinische Probleme mit einer ihrer Patientinnen bekommen sollten, und sie hatten mehrere Frauen, die sie von ihr untersuchen lassen wollten.
R.J. mochte sie als Menschen und als Hebammen, und daß es sie gab, vermittelte ihr ein Gefühl größerer Sicherheit.
Nach Helen Phillips' Tod schaute R.J. häufig bei Eva Goodhue vorbei, manchmal mit einem Becher Eiskrem oder etwas Obst. Eva war still und introvertiert, und anfangs glaubte R.J., das sei ihre Art, um ihre Nichte zu trauern, doch schon bald merkte sie, daß diese Eigenschaften zu Evas Charakter gehörten. Die Wohnung war von Mitgliedern der First Congregational Church gründlich gereinigt worden, und »Essen auf Rädern«, ein gemeinnütziger Verein zur Seniorenversorgung, brachte ihr jeden Tag eine warme Mahlzeit. R.J. hatte sich mit Marjorie Lassiter, der Sozialarbeiterin des County, und mit John Richardson, dem Pfarrer der Kirche in Woodfield, zusammengesetzt, um über Miss Goodhues andere Bedürfnisse zu reden. Die Sozialarbeiterin begann mit einer unverblümten Beschreibung von Evas finanzieller Lage. »Sie ist pleite.«
Vor neunundzwanzig Jahren war Eva Goodhues letzter lebender Bruder, ein Junggeselle namens Norm, an Lungenentzündung gestorben. Nach seinem Tod war Eva alleinige Besitzerin der Familienfarm, auf der sie ihr ganzes Leben verbracht hatte. Sie verkaufte sie für knappe einundvierzigtausend Dollar und zog ins Ortszentrum, wo sie die Wohnung an der Main Street mietete. Ein paar Jahre später hatte sich ihre Nichte Helen Goodhue Phillips, Tochter von Harold Goodhue, Evas anderem toten
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