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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Firadecke durchbrochen und der Schnee aufgewühlt war. Als David mit seinem Skistock im Schnee stocherte, entdeckten sie gefrorenes Blut und Fetzen weißen Hasenfells. Hier hatte eine Eule zugeschlagen.
    Den Schnee durfte man für den Alltag in den Hügeln nicht unterschätzen. Auf Davids Anregung hin kaufte R.J. sich ein paar Schneeschuhe und übte damit, bis sie sich einigermaßen sicher mit ihnen bewegen konnte. Sie hatte sie dann immer im Auto dabei, »nur für den Fall«. Tatsächlich mußte sie die Schneeschuhe in diesem Winter noch nicht benutzen. Aber Anfang Januar erlebte sie einen Sturm, den sogar die Ältesten des Ortes als richtigen Blizzard bezeichneten.
    Nach einem Tag und einer Nacht beständigen, dichten Schneefalls klingelte bei R.J. das Telefon, als sie sich eben zum Frühstück setzen wollte. Es war Bonnie Roche. »Dr. Cole, ich habe furchtbare Schmerzen in der Seite, und mir ist so schlecht, daß ich mitten im Melken aufhören mußte.«
    »Haben Sie Fieber?«
    »Ein bißchen über achtunddreißig. Aber meine Seite. Es tut wahnsinnig weh.«
    »Welche Seite?«
    »Die rechte.«
    »Eher weiter oben oder weiter unten?«
    »Unten ... Ach, ich weiß nicht. In der Mitte, denke ich.«
    »Hat man Ihnen den Blinddarm schon herausgenommen?«
    »Nein. O Gott, Dr. Cole, ich kann nicht ins Krankenhaus, das ist unmöglich! Wir können es uns nicht leisten.«
    »Nur keine vorschnellen Schlüsse. Ich bin gleich bei Ihnen.«
    »Sie kommen nur bis zum Ende der Gemeindestraße. Unser Zufahrtsweg ist nicht geräumt.«
    »Rühren Sie sich nicht von der Stelle!« sagte R.J. entschlossen.
    »Ich komme schon durch.«
    Der Zufahrtsweg war eineinhalb Meilen lang. R.J. rief den Notdienst der Gemeinde an, der auch über Schneemobile verfügte. Sie stießen an der Einmündung des Zufahrtswegs mit zwei dieser Gefährte zu ihr, und bald saß sie hinter Jan Smith und klammerte sich, die Stirn gegen seinen Rücken gedrückt, an ihn, während sie über den schneebedeckten Feldweg glitten.
    Auf der Farm angekommen, sah R.J. sofort, daß Bonnie eine Blinddarmentzündung hatte. Ein Schneemobil war zwar nicht unbedingt das optimale Transportmittel für eine Patientin mit entzündetem Blinddarm, aber unter den gegebenen Umständen blieb R.J. keine andere Wahl.
    »Ich kann doch nicht ins Krankenhaus, Paulie«, sagte Bonnie zu ihrem Mann. »Ich kann nicht. Und das weißt du verdammt genau.«
    »Zerbrich dir darüber nicht den Kopf! Überlaß das mir!« erwiderte Paul Roche. Er war groß und hager, Anfang Zwanzig und hatte ein so jungenhaftes Gesicht, daß man meinen konnte, er sei noch nicht alt genug, um Alkohol trinken zu dürfen. Sooft R.J. zur Farm der Roches gekommen war, hatte er gearbeitet, und sie hatte ihn noch nie - weder hier noch in der Stadt - ohne die Sorgenfalten eines alten Mannes auf seinem Jungengesicht gesehen.
    Trotz Bonnies Proteste hob man sie auf das von Dennis Stanley gesteuerte Schneemobil, auf dem Dennis, so langsam, wie es nur ging, mit ihr davonfuhr. Bonnie saß vornübergebeugt, eine Hand über dem Blinddarm. An der geräumten Gemeindestraße wartete bereits der Krankenwagen auf sie, und das Sirenengeheul, mit dem er sie wegbrachte, zerriß die Stille des Orts.
    »Was das Geld betrifft, Dr. Cole. Wir haben keine Krankenkasse«, sagte Paul.
    »Hat die Farm im letzten Jahr mehr als sechzigtausend netto abgeworfen?«
    »Netto?« Er lächelte bitter. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
    »Dann müssen Sie nach den Bestimmungen des Burton-Hill-Gesetzes für den Krankenhausaufenthalt nichts bezahlen. Ich werde dafür sorgen, daß man Ihnen die entsprechenden Formulare zuschickt.«
    »Meinen Sie das ernst?«
    »Gewiß. Nur ... ich fürchte, die Arztkosten sind durch das Burton-Hill-Gesetz nicht abgedeckt. Meine Rechnung können Sie vergessen«, zwang sie sich zu sagen, »aber den Chirurgen, den Anästhesisten, den Radiologen und den Pathologen werden Sie wohl bezahlen müssen.«
    Es tat ihr weh, mit ansehen zu müssen, wie der Kummer wieder seinen Blick überschattete.
    An diesem Abend erzählte sie David von der Notlage der Roches. »Das Hill-Burton-Gesetz sollte eigentlich Mittellose und Nichtversicherte vor Katastrophen bewahren, aber das funktioniert nicht, weil dieses Gesetz nur den Krankenhausaufenthalt abdeckt. Die Roches bewegen sich auf wirtschaftlich sehr dünnem Eis. Die Kosten, die sie selbst tragen müssen, sind möglicherweise so hoch, daß sie einbrechen.«
    »Die Krankenhäuser erhöhen die

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