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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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nötig. Ich möchte nicht, daß sie weiß, daß ich mit dir über sie gesprochen habe.«
    »Dann solltest aber du mit ihr über diese Dinge sprechen!«
    »Ja, das werde ich.« Jetzt sah er wieder fröhlicher aus. »Außerdem hat sie mir gesagt, daß das Experiment vorbei ist. Den beiden ist ihre Freundschaft zu wertvoll, um sie durch so etwas zu verderben, und sie haben beschlossen, jetzt einfach wieder nur Kumpel zu sein.«
    R, J. nickte skeptisch. Sie sagte ihm nicht, daß ihrer Erfahrung nach junge Leute, die einmal Sex gehabt haben, es in der Regel immer wieder machen.
    Thanksgiving verbrachte sie im Haus der Markus. David hatte den Truthahn gebraten und gefüllte Folienkartoffeln gemacht, und Sarah hatte Süßkartoffeln in Ahornsirup kandiert und eine Drei-Beeren-Apfelsauce aus eigenen Beeren und Früchten gekocht. R.J. brachte Kürbis - und Apfelkuchen mit, die sie mit Hüfe von tiefgefrorenem Blätterteig aus dem Supermarkt und eigenhändig um drei Uhr morgens zubereiteten Füllungen gebacken hatte.
    Es war ein ruhiges, sehr befriedigendes Thanksgiving-Mahl. R, J. war froh, daß weder David noch Sarah andere Bekannte dazugeladen hatten. Sie aßen die köstlichen Speisen, tranken Glühcider und machten sich Popcorn im offenen Kamin. Um R, J.s Vorstellung von einem perfekten Thanksgiving zu vervollkommnen, überzog sich der Himmel kurz vor der Abenddämmerung mit schweren, fast schwarzen Wolken, aus denen dicke, weiße Flocken fielen.
    »Aber für Schnee ist es doch noch viel zu früh!«
    »Nicht hier oben.«
    Als sie nach Hause zurückfuhr, lagen bereits einige Zentimeter Schnee auf der Straße. Die Scheibenwischer hielten die Windschutzscheibe frei, und die Enteisungsanlage funktionierte, doch sie fuhr langsam und vorsichtig, weil sie noch keine Winterreifen aufgezogen hatte. In Boston hatte R.J. im Winter die kurze, mystische Zeit unmittelbar nach einem Schneefall geliebt, wenn alles still und weiß war. Doch in der Stadt begannen schon bald Schneepflüge, Streuwagen und der Verkehr geschäftig zu lärmen, so daß aus der weißen Welt schnell dreckiger, trister Matsch wurde.
    Hier war es anders.
    Kaum war sie in ihrem Haus an der Laurel Hill Road angekommen, machte sie im Kamin ein Feuer, schaltete die Lichter aus und setzte sich im dunklen Wohnzimmer vor die Flammen.
    Durch die Fenster sah sie, wie eine immer dichter werdende bläuliche Weiße von Wald und Wiesen in ihrer Umgebung Besitz ergriff.
    Sie dachte an die Tiere draußen in ihren Löchern unter dem Schnee, in den kleinen Steinhöhlen an den Hügelflanken und in den hohlen Bäumen, und sie wünschte ihnen, daß sie überlebten.
    Dasselbe wünschte sie sich auch für sich. Die ersten einfachen Monate als Ärztin in Woodfield hatte sie überlebt, den Frühling und den Sommer. Jetzt zeigte die Natur in den Bergen ihre Zähne, und R.J. hoffte, der Herausforderung gewachsen zu sein.
    Fiel in den Hochlagen erst einmal Schnee, ging er nicht wieder weg. Nur etwa zwei Drittel der Anhöhe, die die Einheimischen Woodfield Mountain nannten, waren schneebedeckt, so daß R.J., wenn sie ins Pioneer Valley fuhr, um das Krankenhaus, ein Kino oder ein Restaurant zu besuchen, unten im Tal eine schneefreie Landschaft vorfand, die ihr im ersten Augenblick so fremd vorkam wie die erdabgewandte Seite des Mondes. Erst in der ersten Woche des neuen Jahres sollte es auch im Tal so heftig schneien, daß der Schnee hier liegenblieb. Sie genoß es, die schneelose Gegend zu verlassen und wieder die weiße Welt der Hügel zu betreten. Obwohl die Farmen, auf denen Milchwirtschaft betrieben wurde, immer weniger wurden, hielt die Gemeinde an der alten Gewohnheit fest, alle Straßen immer zu räumen, damit die Tanklaster die Milch abholen konnten, und so hatte R.J. keine Probleme, zu ihren Patienten zu kommen.
    Eines Abends Anfang Dezember war sie früh zu Bett gegangen, wurde aber um elf Uhr zwanzig vom Klingeln des Telefons geweckt.
    »Doctor Cole. Hier Letty Gates, von draußen an der Pony Road. Ich bin verletzt.« Die Frau weinte, ihr Atem kam stoßweise.
    »Wie verletzt, Mrs. Gates?«
    »Ich glaube, mein Arm ist gebrochen. Ich weiß nicht, meine Rippen ... Ich habe Schmerzen beim Atmen. Er hat mich verprügelt.«
    »Er? Ihr Mann?«
    »Ja, er. Phil Gates.«
    »Ist er noch bei Ihnen?«
    »Nein, er ist wieder zum Saufen gegangen.«
    »Pony Road, da geht's doch Henry's Mountain hoch, nicht?«
    »Ja.«
    »Gut Ich bin gleich bei Ihnen.«
    Zuvor rief sie den Polizeichef an. Giselle

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