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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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geeignetes Blut für eine Transfusion anzufordern.
    Als der Krankenwagen aus Woodfield die Notaufnahme erreichte und die wartenden Pfleger die Heckklappe öffneten, erschraken sie; beschämt und verunsichert starrten sie R.J. an, die Sarahs Hände nicht loslassen konnte. Sie hatten noch nie erlebt, daß ein Krankenwagen eine am Boden zerstörte Ärztin zu ihnen brachte.

Der Eisblock
    Steve Ripley rief Mack McCourtney an und bat ihn, David Markus zu suchen und ihn ins Krankenhaus zu bringen. Paula Simms, die Ärztin in der Notaufnahme, bestand darauf, R.J. ein Beruhigungsmittel zu geben. Dadurch wurde R.J. sehr still und abwesend, doch gegen ihr Entsetzen wirkte das Mittel nicht. Sie saß wie erstarrt neben Sarah und hielt ihr die Hand, als David mit stierem Blick ins Zimmer stürzte. Er sah R.J. nicht an. »Laß uns allein!« R.J. ging in den Warteraum. Nach einer Weile kam Paula Simms zu ihr.
    »Er besteht darauf, daß Sie heimfahren. Ich glaube, das ist das beste, R.J. Er ist sehr... Sie wissen schon, aufgeregt.«
    Unerträglich schmerzhaft drang die Wahrheit in ihr Bewußtsein. Es konnte nicht sein, daß Sarah für immer fehlen würde, einfach nicht mehr da war. Das einzusehen fiel ihr schwer, und jeder Gedanke, jeder Atemzug tat ihr weh.
    Plötzlich war der Eisblock, in dem sie nach Charlie Harris' Tod gelebt hatte, wieder da.
    Am Nachmittag rief sie das erste Mal bei David an. Danach probierte sie es alle fünfzehn und zwanzig Minuten. Doch jedesmal hörte sie seine Stimme nur vom Anrufbeantworter, indem sie ihr ach so professionell, ach so entspannt flir ihren Anruf bei der Woodfield Immobiliengesellschaft dankte und sie bat, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Am nächsten Morgen fuhr sie zu seinem Haus, weil sie vermutete, daß er vielleicht ailein dort herumsaß und nicht ans Telefon ging.
    Will Riley, Davids Nachbar von weiter unten an der Straße, rammte eben einen neuen Zaunpfosten in die Erde.
    »Ist er zu Hause, Mr. Riley?«
    »Nein. Hab heute morgen einen Zettel von ihm an meiner Tür gefunden. Ob ich mich nicht ein paar Tage lang um seine Tiere kümmern könnte. Da hab ich mir gedacht, du kannst ihm wenigstens seinen Zaun reparieren. Schon ein verdammtes Unglück, nicht, Dr. Cole?«
    »Ja. Ein verdammtes Unglück.«
    »Dieses wunderbare kleine Mädchen.«
    Sarah!
    Was war mit David los? Wo war er?
    Im Haus war alles noch genauso, wie sie und die Krankenwagenbesatzung es hinterlassen hatten. Nur das Blut war zu einer dicken Kruste vertrocknet. Sie zog das Bett ab und steckte die Wäsche in einen Müllbeutel. Mit Davids Gartenspaten kratzte sie den entsetzlichen Pudding vom Boden, trug das Blut dann in einem Plastikeimer in den Wald und vergrub es. Dann suchte sie sich Davids Wurzelbürste und die Kernseife und schrubbte den Boden, bis das Wasser, mit dem sie nachspülte, immer weniger rot und schließlich klar wurde.
    Unter dem Bett fand sie die Katze.
    »Ach, Agunah.«
    Sie hätte sie gern gestreichelt, sie an sich gedrückt, aber das Tier starrte sie an wie eine in die Ecke getriebene Löwin.
    Sie mußte schnell heimfahren, um noch duschen zu können und dann rechtzeitig vor Sprechzeitbeginn in der Praxis zu sein.
    Es war bereits mitten am Nachmittag, als sie Toby im Gang über den Weg lief und erfuhr, was die halbe Stadt bereits wußte, daß nämlich David Markus seine Tochter nach Long Island gebracht hatte, um sie dort zu beerdigen.
    Danach saß sie an ihrem Tisch und versuchte, das Krankenblatt ihres nächsten Patienten zu entziffern, aber die Buchstaben und Worte verschwammen hinter einem tiefen wäßrigen Funkeln.
    Schließlich tat sie etwas, was sie noch nie zuvor getan hatte. Sie bat Toby, sie bei den Patienten zu entschuldigen und ihnen neue Termine zu geben. Sie habe furchtbare Kopfschmerzen.
    Zu Hause setzte sie sich in der Küche auf einen Stuhl. Das Haus war sehr still. Sie saß einfach nur da.
    Für vier Tage sagte sie alle Termine ab. Sie ging viel spazieren, verließ das Haus und wanderte einfach los, auf dem Pfad, über die Felder, die Straße entlang, ohne zu wissen, wohin, so daß sie manchmal unvermittelt hochschrak und sich überrascht umsah: Wie um alles in der Welt bin ich hierhergekommen?
    Sie rief Daniel Noyes an, und sie trafen sich zu einem verlegenen, kurnrnervollen Mittagessen.
    »Ich habe sie sorgfältig untersucht«, sagte er ruhig. »Ich konnte wirklich keine Abnormität sehen.«
    »Sie trifft keine Schuld, Dr. Noyes. Das weiß ich.«
    Er sah sie lange und prüfend an.

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