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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Zweigen fegten. Wohin R.J. auch fuhr, in die Praxis, ins Krankenhaus, zu Hausbesuchen, überall verblüffte sie diese Farbenpracht, die in der kalten, kristallklaren Luft schillerte.
    Sie versuchte, zu ihrem normalen Lebensrhythmus zurückzufinden und sich wieder stärker auf ihre Patienten zu konzentrieren, aber es kam ihr vor, als würde sie immer ein wenig hinterherhinken. Sie befürchtete schon, ihr ärztliches Urteilsvermögen könne unter ihrem Kummer leiden. Ein Paar, das ganz in ihrer Nähe wohnte, Prudence und Albano Trigo, hatte einen kranken Sohn. Lucien war zehn Jahre alt und wurde Luke genannt. Er hatte keinen Appetit, war kraftlos und litt an starkem Durchfall. Nichts schien zu helfen, sein Zustand besserte sich nicht. R.J. machte eine Sigmoidoskopie, schickte ihn zur radiologischen Magen-Darm-Passage, ja sogar zur Kernspintomographie.
    Nichts.
    Der Junge wurde immer schwächer. R.J. überwies ihn zu einem Gastroenterologen nach Springfield, doch auch der konnte nichts finden.
    Eines späten Nachmittags ging sie auf ihrem, jetzt von raschelndem Laub bedeckten Waldpfad spazieren. Am ersten Biberteich angekommen, sah sie eines der Tiere, das behende wie eine kleine Robbe unter Wasser davonflitzte.
    Überall am Catamount gab es Biberkolonien. Und der Fluß floß auch durch das Anwesen der Trigos.
    Sie lief zu ihrem Auto und fuhr zu den Nachbarn. Lucien lag auf der Couch im Wohnzimmer und sah fern.
    »Luke, bist du diesen Sommer schwimmen gegangen? Im Fluß?«
    Er nickte.
    »Bist du auch in den Biberteichen geschwommen?«
    »Klar.«
    »Hast du das Wasser getrunken?«
    Prudence Trigo hörte aufmerksam zu.
    »Ja, manchmal«, sagte Lucien. »Es ist doch so sauber und kalt.«
    »Es sieht nur sauber aus, Luke. Ich schwimme selber drin. Aber mir ist gerade eingefallen, daß Biber und andere wilde Tiere wahrscheinlich ins Wasser defäkieren und urinieren.«
    »Defäkieren und ...«
    »Scheißen und pissen«, sagte Pru zu ihrem Sohn. »Dr. Cole meint, daß sie ins Wasser scheißen und pissen, und du trinkst es dann.« Sie wandte sich an R.J. »Glauben Sie, daß es daher kommt?«
    »Ich halte es für möglich. Tiere verunreinigen das Wasser mit Parasiten. Wenn jemand das Wasser trinkt, vermehren sich in ihm die Parasiten und bilden eine Art Belag im Darm, so daß der keine Nahrung mehr verarbeiten kann. Ganz sicher können wir erst sein, wenn ich eine Stuhlprobe ins staatliche Labor geschickt habe. In der Zwischenzeit gebe ich ihm ein starkes Antibiotikum.«
    Die Testergebnisse, die sie einige Tage später erhielt, zeigten, daß es in Luciens Verdauungstrakt nur so wimmelte von Lamblia intestinalis und daß er auch Spuren von anderen Parasiten aufwies. Binnen zwei Wochen aß der Junge wieder, und sein Durchfall war verschwunden. Einige Wochen später ergab ein zweiter Test, daß der Darmtrakt jetzt frei war von Parasiten, und Luciens aufgestaute Energie brach so vehement durch, daß er seiner Mutter schon auf die Nerven ging. R.J. machte mit ihm aus, daß sie im nächsten Sommer im Big Pond anstatt im Fluß schwimmen und daß sie auch das Seewasser nicht trinken würden.
    Die Kälte kam von Kanada herunter, der Todeskuß für alle Blumen bis auf die widerstandsfähigsten Chrysanthemen. Die gemähten Felder mit Stoppeln, die an den Haarschnitt von Strafgefangenen erinnerten, wurden braun unter der zitronenfahlen Sonne. R.J. gab Will Riley etwas Geld, damit er die Bienenstöcke in seinem Pick-up zu ihrem Haus brachte und sie in ihrem Hof zwischen Haus und Waldrand aufreihte. Doch nachdem sie aufgestellt waren, nahm sie kaum Notiz von ihnen, so sehr war sie mit der Behandlung von Kranken beschäftigt Sie hatte von den Gesundheitsämtern die Warnung erhalten, daß der diesjährige Grippevirus, A/Bejing 32/92 (H3N2) besonders aggressiv und schwächend sei, und schon seit Wochen hatte Toby ältere Patienten in die Praxis bestellt, damit sie sich einer Vorsorgeimpfung unterzogen. Doch trotz der Impfungen wütete die Epidemie, als sie schließlich zum Ausbruch kam, und plötzlich wurden R.J. die Tage zu kurz. Schon bald konnte sie das ständige Klingeln des Telefons nicht mehr hören. Einigen, deren Infektionen bakteriell zu sein schienen, verschrieb sie Antibiotika, aber den meisten konnte sie nur raten, Aspirin zu nehmen, viel Flüssigkeit zu trinken, sich warm zu halten und viel zu schlafen. Toby steckte sich an, aber R.J. und Peg Weiler schafften es, trotz der Arbeitsüberlastung gesund zu bleiben. »Wir beide sind viel

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