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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Bescheid!«
    Beim Abschied küßte er sie auf die Wange.
    Eine Woche später kam er wieder nach Woodfield, ura hier die Weihnachtsfeiertage zu verbringen. In seiner Begleitung waren ein weiterer Mann und zwei sehr attraktive Frauen.
    Als R.J. ihnen im Auto auf der Straße begegnete, hupte Ken und winkte. Den Weihnachtstag verbrachte R.J. bei Eva Goodhue. Sie hatte zu Hause einen kleinen Truthahn gebraten und ihn zusammen mit den Beilagen und einem Schokoladenkuchen zu ihr gebracht, aber Eva fand nur wenig Freude an dem Festmahl. Sie hatte erfahren, daß sie in zwei Wochen in ein Pflegeheim in Northampton eingeliefert werden sollte. R.J. hatte sich das Heim angesehen und Eva versichert, daß es hervorragend sei, aber die alte Frau hatte nur still zugehört und kommentarlos mit dem Kopf genickt. Als R.J. nach dem Essen das Geschirr wusch, begann Eva zu husten. Und als die Teller im Schrank aufgeräumt waren, war Evas Gesicht heiß und gerötet.
    R.J. hatte genügend Erfahrung mit Grippe, um sofort eine solche zu diagnostizieren. Es mußte eine Virusabart sein, die von dem Impfstoff, den Eva erhalten hatte, nicht abgedeckt wurde.
    R.J. überlegte, ob sie bei Eva schlafen oder eine der Frauen des Ortes bitten solle, die Nacht bei der Kranken zu verbringen.
    Aber Eva war sehr schwach. Schließlich rief R.J. den Sanitätswagen und fuhr mit ihr nach Greenfield, wo sie sie ins Krankenhaus einwies.
    Am Tag darauf war sie froh, daß sie es getan hatte, denn die Infektion hatte auf Evas Atemwege übergegriffen. In der Hoffnung, daß es sich um eine bakterielle Lungenentzündung handelte, verordnete R.J. Antibiotika, aber es war eine und Eva verfiel sehr schnell.
    Tag für Tag wartete R.J. im Krankenzimmer. »Eva«, sagte sie, »Eva, ich bin hier bei Ihnen.«
    Sie fuhr zwischen Woodfield und Greenfield hin und her, sie saß an Evas Bett und hielt ihre Hand. Als sie fühlte, wie Evas Lebenslicht langsam erlosch, verabschiedete sie sich ohne Worte von ihr.
    Sie verordnete Sauerstoff, um Eva die Atmung etwas zu erleichtern, und als es auf das Ende zuging, Morphium. Zwei Tage vor Neujahr starb Eva.
    Die Erde auf dem Friedhof von Woodfield war hart wie Feuerstein, es konnte kein Grab ausgehoben werden. Evas Sarg wurde in eine Aufbewahrungsgruft gestellt. Ihr Begräbnis mußte bis zum Frühjahr warten. In der Congregational Church wurde ein Gedächtnisgottesdienst abgehalten, der nur spärlich besucht war, da in den über zweiundneunzig Jahren nur wenige Leute in der Stadt Eva Goodhue nähergekommen waren.
    Das Wetter war grausig, endlos reihten sich Tage aneinander, an denen man nicht einmal einen Hund vor die Tür jagt, wie Toby sagte. R.J. hatte nicht einmal einen eigenen Hund, an den sie sich angesichts der Kälte hätte schmiegen können, und sie erkannte die Gefahr, die ein unablässig grauer Himmel für die Seele darstellte. In Northampton fand sie eine Gambenlehrerin, Olga Melnikoff, eine Frau Mitte Siebzig, die sechsundzwanzig Jahre lang im Boston Symphony Orchestra gespielt hatte. R.J. begann, wöchentlich Stunden zu nehmen, und abends saß sie dann in ihrem stillen, kalten Haus und umklammerte die Gambe mit den Beinen wie einen Liebhaber. Die ersten Bogenstriche verbreiteten tiefe, sonore Schwingungen, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreiteten, und bald war sie versunken in das kösrliche Geschäft des Musizierens. Mrs. Melnikoff brachte ihr zuerst die Grundbegriffe bei, korrigierte barsch ihre Bogenhaltung und ließ sie immer und immer wieder die Tonleiter spielen. Aber R.J. spielte ja bereits Klavier und Gitarre, und bald beherrschte sie Übungsstücke und ein paar einfache Lieder. Das Gambenspielen gefiel ihr sehr. Wenn sie allein dasaß und spielte, kam sie sich vor, als würde sie von den Generationen von Coles begleitet, die auf diesem Instrument musiziert hatten. Es war die Zeit für lodernde Feuer im Kamin und kuschelige Abende im Bett. Sie wußte, daß die Tiere draußen im Wald litten. Sie wollte Heu für das Wild streuen, aber Jan Smith redete es ihr aus. »Verschonen wir sie mit unserer Freundlichkeit! Es geht ihnen am besten, wenn wir sie vollkommen in Ruhe lassen«, sagte er, und sie versuchte, nicht an die Vierfüßer und Vögel zu denken, wenn es draußen so kalt war, daß Bäume barsten mit einem Knall wie ein Pistolenschuß.
    Das Krankenhaus gab bekannt, daß Ärzte mit einem entsprechenden Modem in wenigen Sekunden Zugriff zu Patientendaten bekommen und den Krankenschwestern per Telefon Anweisungen

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