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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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die die mächtigsten Mauern zermalmen.«
    »Oh«, gab Marco zurück. »Das ist ja geradezu beängstigend, was Ihr da sagt.«
    »Es ist eine Frage des Willens und der Mittel – sonst nichts.«
    »Und warum, glaubt Ihr, hat der Sultan es bisher nicht geschafft, die Mauern dieser Stadt zu zerstören? Schließlich hat er es – und haben es auch seine Vorgänger – bereits mehrfach versucht. Von all den anderen, die an den Mauern Konstantinopels gescheitert sind, will ich gar nicht erst reden.«
    »Nun, eins von beidem muss ihm offenbar fehlen: der Wille oder die Mittel. Aber früher oder später wird beides vorhanden sein, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche!«
    Marco wandte sich an Maria. »Hörst du, Schwester? Dein Vertrauen auf die Mauern des Theodosius, das du mit fast allen Rhomäern teilst, scheint nicht ganz so berechtigt zu sein, wie man uns das immer wieder einzureden versucht!«
    »Es wird geschehen, was Gottes Wille ist«, sagte Maria. Sie hatte keine Lust, sich hier und jetzt mit ihrem Bruder zu streiten. Dass die Stadt, die auch sie als ihre Heimat empfand, von außen bedroht wurde, war nichts Neues und ihrer Ansicht nach kein Grund, in atemloser Furcht vor einem unabänderlichen Schicksal zu erstarren. Es hatte immer wieder schwierige Situationen für Konstantinopel und seine Bewohner gegeben. Und doch waren das Leben und die Geschäfte immer weitergegangen. Andererseits war ihr eigener Vorfahre, der gerühmte Niccolò Andrea di Lorenzo, selbst an einer Eroberung der Stadt beteiligt gewesen.
    »Was ist, Schwester, du siehst so nachdenklich aus! Vielleicht wird es ja für das Haus di Lorenzo langsam Zeit, sich nach einer neuen Heimat umzusehen – oder ängstigt dich allein der Gedanke daran so sehr, dass du diese Möglichkeit von vornherein ausschließt?«
    »Ich glaube, dass die größte Gefahr für diese Stadt ganz woanders herkommt. Aus der Tiefe der Erde und durch die Ratten, die Schiffe aus fernen Ländern hierherbringen«, sagte Maria ernst. »Ich meine den Schwarzen Tod, Bruder. Und eigentlich solltest gerade du noch nicht vergessen haben, wie nah diese Gefahr sein kann.«
    »Ja, gewiss«, knurrte Marco unwirsch, so als wäre es ihm unangenehm, von Maria an diese Dinge erinnert zu werden. »Jedenfalls kann der Schwarze Tod sich trotz dickster Mauern in eine Stadt schleichen«, gab Marco zu. »Ich habe gehört, dass auf der Krim – oder war es in Serbien? – die Leichen von Pesttoten mit Katapulten in eine belagerte Stadt geschleudert wurden, damit die Krankheit sich dort verbreitet!«
    »Eine Krankheit als Waffe – so schändlich sind nicht einmal die Türken bisher gewesen!«, meinte Maria.
    »Ihr versteht doch am meisten von der Pest, Wolfhart Brookinger!«, wandte sich Marco nun an den Kaufmannssohn. Dieser hatte sich bisher aus dem Gespräch herausgehalten. Einerseits, weil er nichts mit den unübersehbaren Spannungen zwischen den Geschwistern des Hauses di Lorenzo zu tun haben wollte. Andererseits aber auch einfach deshalb, weil er mit seinen Gedanken bei anderen Dingen war.
    Schließlich stand ihm nichts weniger als die Erfüllung seines sehnlichsten Traums bevor.
    »Davon, eine Plage als Waffe zu benutzen, verstehe ich nicht das Geringste«, widersprach Wolfhart, nachdem er zunächst mit seinem Schweigen die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen hatte, wie es ihm durch keine Worte hätte gelingen können. »Ich habe in Erfurt die Kunst eines Medicus studiert und bin hier, um mich darin zu vervollkommnen, Menschen von ihren Leiden zu erlösen – nicht um Leiden zu vermehren. Darum mache ich mir auch keine Gedanken darum, wie man mithilfe von Krankheiten Vorteile im Krieg erringen kann.«
    »Das heißt, wenn Ihr die Macht hättet, dem Pestdämon zu befehlen, nur die Türken oder wen auch immer hinwegzuraffen und alle Christen zu verschonen, so währt Ihr nicht gewillt, diese Fähigkeit einzusetzen?«, fragte Marco. »Zum Wohl der Stadt und der heiligen Kirche und aller Christen?«
    »Die Pest tötet wahllos«, sagte Wolfhart. »Wenn wir etwas über den Schwarzen Tod wissen, dann das: Er macht alle gleich. Die Christen und Muslime genauso wie die Reichen und die Armen oder die Sünder und diejenigen, die sich bemüht haben, ein Leben im Geiste Jesu Christi zu führen. Sie sterben alle auf dieselbe grausame Art und Weise, und es gibt keine Gruppe im Volk, die verschont wird. Der Schwarze Tod ist ein wahllos mordender, unsichtbarer Angreifer, dessen Schläge man erst spürt, wenn

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