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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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anderer Herrscher an seinen Diensten interessiert, dessen größter Traum es seit langem war, genau diese Mauern zu zerstören.

Vierzehntes Kapitel

    Wiedersehen im Pesthaus
    Mit einem der Schiffe, die regelmäßig das Goldene Horn passierten, ließ sich Maria di Lorenzo übersetzen. Davide und Thomás begleiteten sie zusammen mit ein paar Wächtern. Seit dem Pestausbruch, der Marias Eltern das Leben gekostet hatte, war sie nicht mehr in Pera gewesen, und als sie den Galata-Turm sah, stellte sich ein eigenartig beklemmendes Gefühl ein, so als ob nach wie vor ein Fluch auf diesem Ort läge. Die Kolonie der Genueser war eine Stadt für sich, hoch ummauert und gut geschützt durch Wehrgänge, Kanonen und Mannschaften. Es gab einen eigenen Hafen, auch wenn der Warenverkehr hier in letzter Zeit nahezu zum Erliegen gekommen war und nun erst langsam wieder anlief. Bei Gefahr konnte auf Befehl des Kaisers die Eisenkette zwischen Pera und dem Südufer des Goldenen Horns gespannt werden. Es gab noch eine weitere Kette weiter westlich, denn sowohl Wikinger als auch die Araber hatten versucht, Schiffe über Land zu ziehen und auf diese Weise in den Meeresarm, an dem die kaiserlichen Kriegshäfen lagen, einzudringen.
    Der Seegang war rau. Der Wind wehte heftig und war sehr böig. Es dauerte unverhältnismäßig lange, bis das Fährschiff endlich in Pera anlegen konnte, denn immer wieder wurde es durch die tückischen Strömungen abgetrieben. Thomás äußerte ziemlich ungeniert den Verdacht, dass es schlichtweg überladen sei. Aber das war bei diesen Schiffen eher die Regel als die Ausnahme.
    »Es war eine weise Entscheidung Eures Vaters, das Kontor am Eutherios-Hafen zu erwerben«, meinte Davide. »Nicht auszudenken, wenn wir es in dieser schweren Zeit nicht zur Verfügung gehabt hätten.«
    Sie gingen an Land. Die Pferde waren etwas widerspenstig, aber schließlich hatten Thomás’ Männer sie über ein breites Fallreep von den schwankenden Planken geholt. Wenig später stieg Maria in den Sattel, und sie hielten auf eines der See zugewandten Tore Peras zu.
    Als Erstes fiel Maria auf, dass die sonst so häufig verstopften Gassen frei waren und man hindurchreiten konnte, ohne das Pferd zügeln zu müssen. Kein Fuhrwerk, keine spielenden Kinder, keine kläffenden Hunde und keine Bettler versperrten die gepflasterten Wege zwischen den Häusern. Es schienen sich derzeit einfach sehr viel weniger Menschen in Pera aufzuhalten. Die Pest hatte sie entweder vertrieben oder getötet. Von einigen Holzhäusern, besonders von den Fachwerkbauten, war nichts geblieben als verkohltes Gebälk. Aber auch einige der Steinhäuser trugen deutliche Spuren der Ausräucherung. Nicht jedes Haus, das Brandspuren trug, war tatsächlich auch das Heim eines Pestkranken gewesen. Manchmal griffen die Brände, die eigentlich die Ausbreitung der Krankheit verhindern sollten, ungewollt auf andere Gebäude über, und es war immer wieder vorgekommen, dass dadurch ganze Straßenzüge ein Raub der Flammen geworden waren.
    Schließlich erreichten sie das Haus, in dem Maria, abgesehen von den Jahren in Genua, aufgewachsen war. Das Haus, in dem sie laufen und sprechen gelernt hatte und in dem sie glücklich gewesen war. Aber das schien ihr alles unvorstellbar lange her zu sein. Sie stieg aus dem Sattel und vergaß sogar, ihre Kleider wieder zu richten. Sie musste unwillkürlich schlucken, als sie die dunklen verkohlten Flecke an den Wänden sah. Die von venezianischen Glasern eingesetzten Fensterscheiben waren geborsten. Die Splitter lagen noch auf dem Pflaster.
    In Pera standen die Häuser enger zusammen als im übrigen Konstantinopel. Die äußeren Mauern bildeten seit jeher eine Grenze für die Besiedlung, weshalb die Häuser in die Höhe gebaut werden mussten. Drei Stockwerke hatte das ausgeräucherte Haus der Familie di Lorenzo. Dazu Stallungen, in denen man ein Dutzend Pferde unterbringen und mehrere Wagen abstellen konnte.
    Maria zögerte, bevor sie durch die halb offene und völlig verkohlte Tür trat. Sie bestand aus einem dunklen, afrikanischen Holz, das Marias Großvater aus Alexandria geliefert worden war. Es war härter und widerstandsfähiger als alle Hölzer, die man in den Ländern der Christenheit kannte. Doch auch dieses Hartholz hatte dem reinigenden Fegefeuer nicht standhalten können. Die Tür sah aus wie ein dunkles Stück Holzkohle. Ein scharfer Geruch ging von ihr aus. Die Scharniere, an denen sie aufgehängt war, knarrten, als Davide sie

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