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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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Treppe empor und verschwand im Obergeschoss, sodass Wolfhart und Maria allein zurückblieben. Ihr war klar, wie rar diese Momente sein würden, und deshalb zögerte sie nicht, ihn einfach zu umarmen. Sie spürte ein anfängliches Zögern, von dem sie annahm, dass es gewiss der Situation geschuldet war. Dann fanden sich ihre Lippen zu einem Kuss, von dem sie sich wünschte, er möge nicht mehr enden. Die trostlose Umgebung war augenblicklich vergessen. Atemlos lösten sie sich wieder voneinander. Wolfhart strich ihr zärtlich eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn. Die Art, wie er sie ansah, ließ ein glückliches, aber auch verweifeltes Gefühl in ihr aufkommen.
    »Ich hoffe, dass es dir gut geht«, sagte Wolfhart.
    »Solange ich verhindern kann, eine Ehe einzugehen, die Davide als Transaktion bezeichnet und bei der ich einen Mann ehelichen würde, der nicht nur an mir, sondern an Frauen im Allgemeinen keinerlei Interesse hat, werde ich wenigstens die Hoffnung auf das Glück nicht verloren geben.«
    »Das klingt nicht gerade glücklich.«
    Sie zuckte mit ihren Schultern. »Ich bin am Leben. Seit dem Tod meiner Eltern weiß ich, dass man damit vielleicht zufrieden sein muss und sich nicht einmal sicher sein kann, dass einem das bisschen Glück, das man hat, nicht auch noch genommen wird. Aber ich klinge schon wie eine alte, verhärmte Frau, die all ihre Kinder an die Pest verloren hat. Dabei sollte ich auf den Herrn vertrauen und bedenken, dass er unsere Wege bestimmt und er mir viel weniger Leid zugemutet hat als anderen.«
    »Ja, solche Gedanken sind mir auch gekommen – nach dem, was ich in der letzten Zeit erlebt habe.«
    »Ich hoffe, du konntest viel lernen.«
    »Fausto Cagliari ist ein sehr ungewöhnlicher Medicus. Ich habe nie zuvor jemanden kennengelernt, der sich den Dingen auf diese besondere Weise nähert. Allerdings muss ich ehrlich zugeben, dass ich noch längst nicht alles verstanden habe, was dort unten in seinen Kellern und Verliesen vor sich geht.«
    »Was geschieht denn dort?«
    »Darüber darf ich nicht sprechen. Mit niemandem. Alles, was dort geschieht, unterliegt höchster Geheimhaltung.«
    Maria runzelte die Stirn. »Aber weshalb denn? Sollten nicht alle Menschen so viel wie möglich über die Pest wissen, um sich besser vor ihr schützen zu können? Es dürfte nämlich selbst unter günstigsten Voraussetzungen kaum möglich sein, für jeden Kranken einen Medicus zu entsenden!«
    »Es ist ein Befehl des Kaisers. Und dem muss ich Folge leisten, will ich nicht meinen Kopf riskieren. Die geliebte Frau von Kaiser Johannes starb an der Pest, und das dürfte auch der Grund dafür sein, dass Meister Cagliari mit so großen Vollmachten ausgestattet wurde. Und unter Kaiser Konstantin scheint sich in dieser Hinsicht nichts geändert zu haben. Im Gegenteil! Wir bekommen dort unten des Öfteren hohen Besuch, was aber weder Cagliari noch irgendwem sonst, der dort arbeitet, wirklich recht zu sein scheint.« Wolfhart zuckte mit den Schultern. »Aber um diese Dinge brauche ich mich nicht zu kümmern. Ich versuche einfach nur, so viel wie möglich zu lernen, sodass ich dieses Wissen eines Tages dafür einsetzen kann, um den Schwarzen Tod zu vertreiben.«
    »Du wirst sicher ein meisterlicher Pestarzt werden, gegen den der Ruhm eines Fausto Cagliari noch verblassen wird, Wolfhart.«
    »Es geht mir nicht um irgendeinen Ruhm, Maria.«
    »Das weiß ich«, murmelte sie. »Aber du hast Cagliari etwas voraus, was dieser niemals zu gewinnen vermag. Er ist nur an der Erkenntnis, aber nicht an den Menschen interessiert – dich aber kümmert das Leiden jedes Einzelnen. Das ist der Unterschied zwischen euch, und ich hoffe, dass du dich deinem kalten Meister in diesem Punkt nicht einmal ein bisschen angleichen wirst!«
    Wolfhart sah Maria etwas irritiert an. »Du glaubst, ihn so genau zu kennen?«
    »Die eisigen Augenblicke in seiner Gegenwart waren Eindruck genug. Jesus sagt, dass man das, was man dem geringsten seiner Brüder getan hat, ihm getan hat. Und darum tust du sein Werk, Wolfhart. Davon bin ich überzeugt. Aber wessen Werk dieser Cagliari tut, da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher …«
    »Kommt es denn nicht nur darauf an, was am Ende dabei herauskommt?«
    »Das Gute erreichen mit den Mitteln des Bösen?« Maria hob die Augenbrauen. »Du redest ja schon wie mein Bruder, der wohl inzwischen völlig in den Bann einer Ketzersekte geraten ist, von der man hier und da reden hört und die genau das

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