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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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    »Der Gegenstand seiner Erkenntnissuche hat ihn getötet«, waren Cagliaris lapidare Worte gewesen. »So etwas kommt vor. Aber seid beruhigt! Der Anzug wurde ausgekocht und in eine beißende Lauge getränkt.«
    »Dann ist er an der Pest gestorben?«, hatte Wolfhart gefragt.
    »Nein. Durch einen Kranken, der ihn erschlug, weil er ihn in seinem Wahn für den leibhaftigen Satan gehalten hatte! Ihr könnt am Kopfstück immer noch den Abdruck des Kantholzes sehen, das ihm den Schädel zertrümmerte.«
    Wolfhart hatte auch nach dem Namen dieses Unbekannten gefragt. Aber Cagliari meinte, dies zu wissen könne nur Unglück bringen. Und so wusste Wolfhart nur über ihn, wie er gestorben war und dass er zwar breitere Schultern und einen dickeren Bauch, dafür aber kleinere Hände gehabt hatte.
    Um zu gewährleisten, dass wirklich nichts durch den Anzug drang, musste Wolfhart die Verschlusslaschen mit Bitumen überschmieren, das eigentlich zum Kitten von Fensterscheiben benutzt wurde. Der Geruch erinnerte Wolfhart an die Fenster des heimischen Hauses in Lübeck. Das erschien ihm jetzt wie aus einem völlig anderen Leben.
    Es dauerte stets eine ganze Weile, bis Wolfhart sich in diese Kluft begeben hatte. Darenius und Cagliari waren darin weitaus geübter und deshalb zumeist lange vor dem jungen Medicus fertig, zumal er sich nach dem Anlegen des Anzugs und des Kopfstücks noch in die in ätherische Öle getränkten Tücher einwickeln musste, die gegen üble Dämpfe und andere krankmachenden Einflüsse schützen sollten. Ob sie es wirklich taten, war letztlich nicht bewiesen.
    Während Wolfhart damit beschäftigt war, die sorgfältig vorbereiteten Stoffbahnen um seine Arme und den Oberkörper zu wickeln, hörte er dem heftigen Wortgefecht zu, das im Nachbarraum zwischen Darenius und Cagliari tobte.
    »So etwas darf nie wieder geschehen«, ereiferte sich Darenius. »Was glaubt Ihr wohl, wie schwierig es war, mit einer Pestleiche von Pera aus an das andere Ufer des Goldenen Horns übergesetzt zu werden! Wir hatten großes Glück, dass niemand etwas bemerkt hat. Von der Gefahr der Ansteckung für alle Beteiligten mal ganz abgesehen.«
    »Ihr übertreibt, Darenius.«
    »Ich übertreibe? Wir können von Glück sagen, dass wir diesen Mann überhaupt wiedergefunden haben! Mauro Della Croce hat sich bei uns die Pest geholt, weil er mit seinem Anzug unvorsichtig war. Wir hätten verhindern müssen, dass er jemals an die Oberfläche gelangt. Stattdessen hätte er hierbleiben und sein Schicksal annehmen müssen, aber dazu hatte er nicht die Kraft.«
    »Sehen wir nach vorn, Darenius, in die Zukunft. Jeder Blick zurück ist wie der Versuch, verschüttete Milch in den Krug zurückzugießen«, erwiderte Cagliari.
    Wolfhart trat in vollständiger Montur aus dem Raum, und als er den Flur erreichte, schwiegen die beiden Männer. Auch sie trugen die gleichen krokodilledernen Monturen, hatten aber die Kopfstücke mit den Schnabelmasken noch nicht aufgesetzt. Darenius und Cagliari wechselten einen kurzen Blick.
    »Sagt ihm die Wahrheit, Fausto!«, forderte Darenius. »Alles andere ist sinnlos. Diesen Narren, die wir bei dem ausgeräucherten Pesthaus trafen, konnte ich erzählen, dass die Leiche schon lange in einer anderen Ruine lag und sich durch ätherische Öle erhalten hat – aber wenn unser junger Freund hier auch nur ein bisschen während seines Studiums der medizinischen Künste aufgepasst hat, dann hat er erkennen können, dass dies eine Lüge war, um die Leute zu beruhigen.«
    »Wer war der Tote?«, verlangte Wolfhart nun unmissverständlich zu wissen.
    »Er war einer von uns«, gab Cagliari zu. Er atmete tief durch. »Ein Genueser, der seine ganze Familie durch eine der Pestwellen verloren hatte, die unsere Stadt heimsuchte. Deshalb hatte er sich der Aufgabe verschrieben, das innerste Wesen der Krankheit zu erforschen. Mauro della Croce war kein Medicus so wie Ihr, Wolfhart. Er hatte auch nicht studiert, und ehrlich gesagt, konnte er noch nicht einmal lesen und schreiben. Er war ein Gaukler, der in den Straßen von Pera seine Possen gerissen hat – und da er kaum Griechisch konnte, blieben seine Auftritte wohl auch immer auf Pera beschränkt. Wie gesagt, seine Familie starb, und er verschrieb sich unserer Sache.«
    »Wann wurde er krank?«, fragte Wolfhart. Seine Stimme klang dumpf unter dem Kopfstück.
    »Kurz bevor Ihr zu uns gestoßen seid. Ihr habt vielleicht die Schreie gehört, als ich Euch hier in den Katakomben herumgeführt

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