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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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habe.«
    Wolfhart erinnerte sich an die Schreie, die durch die dunklen Gänge und Kammern gehallt waren.
    »Ist er geflohen?«
    Cagliari nickte. »Obwohl er wusste, was dies bedeuten kann. Aber das war ihm gleichgültig.«
    »Und wir waren nicht aufmerksam genug«, erklärte Darenius.
    »Sind wir vielleicht Wachsoldaten?«, fauchte Cagliari. »Jeder muss selbst wissen, was er tut. Und Gott wird ihn dann dereinst dafür richten.«
    »So einfach ist das?«, spottete Darenius.
    »Jawohl – so einfach ist das!«, nickte Cagliari.
    »Warum ist er geflohen?«, wollte Wolfhart wissen. »Es muss doch einen Grund für sein Handeln gegeben haben!«
    »Einen Grund?« Cagliari lachte heiser. »Welchen Grund hat denn die Ratte, plötzlich auf Wanderschaft zu gehen, wenn sie von der Seuche befallen wurde? Wir wissen es nicht! Und doch geschieht es einfach.«
    Cagliari und Darenius waren sehr geschickt darin, ihre Kopfstücke aufzusetzen und sich anschließend gegenseitig die Stoffbahnen anzulegen. Es schien eine Prozedur zu sein, die sie ziemlich häufig vollführten.
    Die vertraute Art, in der sie sich dabei mit giftigen Bemerkungen bedachten, erinnerte Wolfhart an ein altes zänkisches Ehepaar.
    Als alle fertig waren, gingen sie einen längeren und ziemlich breiten Gang entlang. Auch hier hingen Lichter an den Wänden. Unterwegs begegneten sie dem hinkenden Lazaros. Er trug ebenfalls eine Schutzmontur, die allerdings aufgrund seines verwachsenen Beins sehr schlecht saß. Daran konnte man ihn immerhin zweifelsfrei erkennen, während man sich bei den anderen auf den durch den Schnabel ziemlich verfremdeten Klang der Stimme verlassen musste.
    »Es ist alles bereit«, sagte Lazaros.
    »Gut!«
    Wenig später erreichten sie einen Raum, der mit unzähligen Kerzen ausgestattet war. Die Lichtkammer, so wurde sie von Cagliari und seinen Getreuen genannt. Ein Name, der sich nicht nur auf die Beleuchtung bezog, sondern auch Optimismus bei der täglichen Arbeit verbreiten sollte. Von der Decke hingen Öllampen, und außerdem brannten noch mehrere Fackeln an den Wänden. Dafür, dass man sich hier tief unter der Stadt in den zum Zisternensystem gehörenden Kellern befand, war es sehr hell, und Wolfhart fühlte sich an den Kerzenschein zu hohen Festtagen im Lübecker Dom erinnert.
    Der Pesttote lag entkleidet auf einem Tisch. Seine Beulen waren nun deutlich zu sehen. Das ist er also, unser Feind!, dachte Wolfhart. Und das Netz aus Kellern, Verliesen und Gängen, die hier eine unterirdische Stadt bildeten, kam ihm nun wirklich wie die Unterwelt vor. Der Ort der Toten, das Schattenreich des Totengottes Hades. Wolfhart schien es, als hätte Cagliari in diesem finsteren Labyrinth die Rolle eines kalten Totengottes übernommen.
    Aber unser Tun dient dem Leben!, ermutigte sich Wolfhart.
    »So wollen wir unsere Suche fortsetzen«, sprach der sinistre Medicus in einem fast feierlichen Tonfall unter seiner Schnabelmaske hervor.
    Doch zunächst nahm nicht der Pesttote Mauro della Croce Wolfharts Aufmerksamkeit gefangen. In der Wand gab es eine Einbuchtung, die etwa zwei Armspannen in der Breite und eine Armspanne in der Höhe maß. Eine dicke Glasscheibe war in diese Öffnung mit all der Sorgfalt eingesetzt, zu der das Glaserhandwerk inzwischen imstande war. Eine dicke, schlauchartige Schicht aus schwarzem Erdpech dichtete die Scheibe vollständig. Dumpfe Rufe drangen von dort herüber.
    Wolfhart machte einen Schritt auf die verglaste Öffnung zu, um besser sehen zu können, was dort vor sich ging.
    Im Schein des Lichts waren Hunderte von Ratten zu erkennen, die wie in heller Panik durcheinanderliefen. Manche bewegten sich nur langsam und schleppend, so als würde sie eine Krankheit lähmen. Und dazwischen lagen Dutzende von Rattenkadavern in unterschiedlichen Stadien der Verwesung. Einige waren von ihren Artgenossen förmlich zerrissen worden.
    Zwischen all den Ratten waren zwei Gestalten in Schutzmontur mit Schnabelmasken zu sehen. Es konnte sich nur um die kahlköpfigen Zwillinge handeln; ihre Aufgabe war die Fütterung der offensichtlich pestkranken Ratten, die in dieser Kammer gehalten wurden.
    Theofilos und Theofanos tanzten zwischen den Ratten umher. Einer von ihnen scheuchte sie davon, indem er sie mit seiner Fackel anzusengen versuchte. Sein Zwilling warf unterdessen Nahrungsreste, die er einem Kübel mit Abfällen aus der Palastküche entnommen hatte, zwischen die Ratten und sorgte damit zusätzlich für Verwirrung unter ihnen. Obwohl sie

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