Medicus von Konstantinopel
Beträgen zu tun haben soll.«
»Maria, es muss etwas geschehen! Das Übel muss mit dem Übel und der Satan mit den Mitteln Satans bekämpft werden. Ich habe dir doch vom Buch der Cherubim erzählt und den Erkenntnissen, von denen es berichtet.«
»Das sind keine Erkenntnisse! Das ist bloße Ketzerei«, erwiderte Maria.
»Nein, da bist du im Irrtum. Die Zahl derer, die genauso denken wie ich, mag noch gering sein, aber sie wächst. Ich habe …« Er schluckte und rieb die Handflächen gegeneinander. Wie es aussah, rang er um die richtigen Worte, und Maria fragte sich, was für eine schreckliche Wahrheit er ihr wohl gerade stammelnd zu offenbaren versuchte. »Die Kirche, wie wir sie kennen, ist zu nichts anderem als einem Werkzeug der Mächtigen geworden. Das gilt für die in Rom genauso wie für den erbärmlichen Haufen der Rechtgläubigen von Konstantinopel, die nur noch meinen, dass der Wettbewerb um die Gnade Gottes einem Wettbewerb um die Länge ihrer Bärte gleichkommt! Allerdings gibt es auch eine andere, dunkle Kirche, die im Verborgenen existiert und irgendwann die Macht haben wird, das alte Gebäude der Christenheit vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen.«
»Diesen Leuten hast du unser Geld gegeben?«, fragte Maria fassungslos.
»Reichtum belastet nur, wenn er nichts bewirkt«, erwiderte Marco. »Warum nicht alles fortgeben, was nur angehäuft wurde, um anschließend doch nur der Vergänglichkeit anheimzufallen.«
»Das kannst du nicht machen, Marco!«
»Ich kann mit meinem Anteil an dem Handelshaus machen, was mir beliebt, Maria. Ob das dir oder dem ach so edelmütigen Davide nun passt oder nicht. Selbst für den Fall, dass sich mein Vater in seinem modrigen Pestgrab umdrehen sollte, würde das meine Meinung nicht ändern.«
Das ist seine Rache!, dachte Maria bitter. Seine späte Rache an unserem Vater! Nichts und niemand schien tatsächlich mehr imstande zu sein, ihn an seinem verwerflichen Tun zu hindern.
»Was sind das für Leute, denen du Geld gegeben hast?«, fragte Maria schließlich und versuchte, ihrer Stimme einen gefasst wirkenden Tonfall zu geben.
»Darüber werde ich dir nichts sagen, Schwester«, erwiderte Marco. »Selbst ich weiß nur das Nötigste – und mehr solltest du auch nicht erfahren!«
Von draußen war jetzt ein Tumult zu hören. Stimmengewirr drang durch das offene Fenster. Maria und Marco wechselten einen irritierten Blick. Marco ging zu der hölzernen Tür, durch die man auf eine Dachterrasse treten konnte.
Er trat ins Freie, und Maria folgte ihm bis zur Balustrade. Von hier aus hatte man einen Blick bis weit über den Eutherios-Hafen hinaus.
Eine kleine Flotte von Galeeren und einige kleinere Begleitboote fuhren in den Hafen ein. Geschmückt waren sie mit dem Wappen des Kaisers. Der Hafen selbst war voller Menschen – und weitere strömten dorthin. Hunderte von Soldaten umsäumten die Anlegestellen an den Kaimauern. Aus der Ferne waren Kirchengesänge zu hören, vermutlich von einer Prozession, die auf dem Weg zum Hafen war.
»Sieh an, da kommt er also – unser neuer Kaiser Konstantin!«, tönte Marco mit beißendem Spott in der Stimme. In der Tat hatte man nach dem plötzlichen und nach wie vor mysteriösen Tod von Kaiser Johannes nicht einen Tag verloren, um seinen Nachfolger auszurufen. Konstantin Palaiologos war der jüngere Bruder des verstorbenen Herrschers und hatte bisher als Verwalter jener wenigen verstreuten Gebiete auf dem griechischen Festland fungiert, die dem Imperium – abgesehen von der Stadt Konstantinopel selbst – noch erhalten geblieben waren. Dazu gehörten insbesondere ein größeres Stück der Halbinsel Peloponnes sowie einige Inseln in der Ägäis, die bis zur Stunde weder Türken noch Venezianer hatten an sich bringen können.
Auf dem Peloponnes hatte man auch den neuen Kaiser ausgerufen – unmittelbar nachdem ein Bote dort eingetroffen war, um die Nachricht von Johannes’ Tod zu überbringen. Zur gleichen Zeit war die Ausrufung des neuen Kaisers bereits überall in der Stadt bekannt gemacht worden. Offensichtlich wollte man verhindern, dass etwa von irgendeiner anderen interessierten Seite Ansprüche auf den vakanten Thron des kinderlos gestorbenen Kaisers gestellt würden. Und solche potenziellen Ansprüche gab es zuhauf! Sultan Mehmet zählte ebenso zu den Titelaspiranten wie König Alfonso von Aragon. Selbstverständlich gab es daneben verschiedene rhomäische Adelsfamilien, die nur auf eine Gelegenheit warteten, dem Haus
Weitere Kostenlose Bücher