Medicus von Konstantinopel
dieser Art zu stören versuchen …« Sie stockte und sprach zunächst nicht weiter.
Wolfhart biss auf seine Unterlippe und wirkte mit einem Mal ganz wach. »Ihr glaubt, dass Fausto Cagliari dort sein wird?«, fragte er.
»Das steht für mich außer Zweifel«, erklärte sie. »Es sei denn, es läge ein wirklich sehr wichtiger Grund vor, sich bei dieser Gelegenheit nicht zu zeigen. Es wäre schon äußerst ungewöhnlich, wenn der Pestarzt des alten Kaisers dort nicht erschiene … und wenn das der Fall wäre, könnte man Euch im Übrigen auch nur davon abraten, den Kontakt zu diesem Mann zu suchen, denn es wäre zweifellos ein Zeichen dafür, dass er in Ungnade gefallen wäre!«
Wolfhart nickte. Hierauf deutete er auf seine Stiefel. »Dann werde ich mal zusehen, dass ich zumindest mit ordentlichem Schuhwerk die größte Kirche der Christenheit betrete! Und was gerade geschah …«
»Ja?«
»Das solltet Ihr wahrscheinlich am besten einfach vergessen.«
Maria schluckte. Das kann ich nicht!, dachte sie. In diesem Punkt war sie sich vollkommen sicher.
Neuntes Kapitel
Stachel im Fleisch
Am Samstagabend tauchte Marco wieder auf, so als wäre nichts gewesen. Er schien sehr müde zu sein. Davide hatte vorher versucht, aus Seriféa herauszubekommen, wo Marco sich aufgehalten hatte. Aber der Schreiber des Hauses di Lorenzo war erfolglos geblieben. Vielleicht wusste sie tatsächlich nichts. Das Gespräch zwischen den beiden war so laut gewesen, dass man es im ganzen Kontor hatte hören können. Allerdings hatten sie levantinisches Arabisch gesprochen, sodass Maria nichts hatte verstehen können.
Urbans Versuche, bei Hofe vorzusprechen, blieben erfolglos. Man hatte ganz unverhohlen ein Schmiergeld von ihm verlangt, das für den Kanonengießer einfach nicht aufzubringen war. »Es scheint hier niemanden das Wohl der Stadt zu interessieren!«, beschwerte er sich Wolfhart gegenüber.
Der lübische Kaufmannssohn hatte den Kanonengießer während der gesamten Reise, die sie gemeinsam hinter sich gebracht hatten, noch nicht so erregt erlebt. Urban war regelrecht außer sich. »Es ist unfassbar!«, stöhnte er. »Ich biete diesen Narren die Möglichkeit, die Türken in die Flucht zu schlagen, wenn sie mich meine Kanonen gießen lassen – und sie denken nicht an das Wohl ihrer Stadt, das letztlich auch ihr eigenes ist, sondern nur daran, wie sie ein paar Silbermünzen mehr für sich herausschlagen können! Glauben diese Narren vielleicht, dass ihnen die Türken irgendetwas von ihrem Reichtum lassen werden, wenn sie überhaupt mit dem Leben davonkommen?«
»Vielleicht haben die Leute, die du angesprochen hast, nur schlichtweg nicht verstanden, was du meintest«, erwiderte Wolfhart.
Urban runzelte die Stirn. »Wieso das denn? Nur weil so ein Möchtegern-Magister wie du etwas Griechisch gelernt hat, muss er sich noch lange nichts darauf einbilden.«
»Mag sein, Urban, aber Griechisch ist nun mal die Sprache, die hier in den Gassen jeder versteht!«
»Ja, in den Gassen! Aber bei Hof kann jeder Latein oder die venezianische Abart oder einen anderen der Dialekte, die sich davon ableiten und sich nur in Kleinigkeiten unterscheiden, sodass man alle diese Sprachen gut zu verstehen vermag, wenn man nur eine von ihnen beherrscht! Und ich war lange genug in Venedig, um …«
»Ich habe nie deine Fähigkeiten anzweifeln wollen«, versuchte Wolfhart, ihn zu beschwichtigen. »Allerdings wäre es doch möglich, dass du mit deiner dringenden Botschaft einfach nicht durchgedrungen bist, weil man eben doch nicht so genau verstanden hat, was du meinst!«
»Du willst meine Sprachkenntnisse in Zweifel ziehen?«
»Entweder deine oder die Kenntnisse der Männer, mit denen du gesprochen hast.«
Urban seufzte. »Ich fürchte, der Grund ist noch viel einfacher: Es waren wohl einfach nicht die richtigen, an die ich mich gewandt habe!«
Am Sonntag brachte ein Wagen des Hauses di Lorenzo Wolfhart und Urban zur Hagia Sophia, der »heiligen Weisheit«, wie diese bislang größte und eindrucksvollste Kirche der Christenheit ehrfurchtsvoll genannt wurde. Maria und Marco fuhren zusammen mit Davide und dem etwas bärbeißig dreinblickenden Thomás im ersten Wagen. Wolfhart Brookinger und Urban Kanonengießer saßen in einem zweiten, in dem auch noch Jakob Forlanus, ein mit dem Haus di Lorenzo eng verbundener und angesichts seiner akademischen Ehren noch junger Rechtsgelehrter, sowie Pater Matteo da Creto saßen.
Außerdem wurden beide Wagen durch ein
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