Medienmuendig
das Lob der Bestätigung, der Ordnung, der Redundanz. Wenn es um Lernen geht, machen beide Theorien allein keinen Sinn: Null Erstmaligkeit und 100 Prozent Bestätigung, also totale Ordnung, bringen
nichts Neues
, umgekehrt bleiben null Bestätigung und 100 Prozent Erstmaligkeit, also totales Chaos,
unverständlich
. Brauchbar für das Lernen ist der dazwischenliegende pragmatische Informationsbegriff, der in einer guten Balance zwischen Erstmaligkeit und Bestätigung den optimalen Informationsgewinn sieht. 46
Kinder brauchen nach diesen Vorstellungen mehr Bestätigung als Erwachsene, um zunächst die Strukturen zu entwickeln, die ihnen ermöglichen, von Erstmaligkeit zunehmend zu profitieren. Allgemeiner gesprochen hängt es sehr stark von den Vorbedingungen ab, ob eine Botschaft viel oder wenig pragmatische Information bringt. Wenn alles bekannt und alles strukturiert ist, dann sind Überraschungen und Neuigkeiten ein Gewinn. Auch Fehler können in diesem Sinne wichtige Informationen sein, doch dazu weiter unten mehr. Wenn aber alles durcheinander und unvorhersehbar ist, dann sind Wiederholung und Ordnung ein Gewinn.
Und was bedeuten diese Erkenntnisse für die Rolle von Information in der Erziehung?
Früher war das mit der Erziehung viel geradliniger: Man hat gearbeitet, Geld verdient, um den Kindern Dinge kaufen zu können und eine Erziehung zu bieten, dass sie etwas Ordentliches werdenkönnen im Leben. Und heute: Bei so viel materiellem Überfluss und so viel Informationen, die täglich über das Kind hereinbrechen, geht die Neugier verloren, und die Kinder verlernen das Wünschen. Da müssen die Eltern und Lehrer eigentlich um der Balance willen die Kinder vor dieser Sinnesüberflutung schützen, gerade umgekehrt wie damals. Damals wollte man als verantwortungsvolle Mutter seinem Kind möglichst viel kaufen, möglichst viel Informationen zugänglich machen. Heute müsste man das Kind vor zu viel Informationen schützen und ihm vieles gerade nicht kaufen, wenn man seine Bildung unterstützen will. Es ist schon verrückt, wie sich das in so kurzer Zeit umgekehrt hat.
Das erzählte mir eine über 90-jährige alte Dame, der ich viel mehr verdanke als nur diese Lebenserfahrungen. 47 Die Antwort auf die Frage, ob mehr Reize, mehr Spielzeug, mehr Handys, mehr Computer, mehr Radio und Fernsehen unseren Kindern nützen oder schaden, hängt sehr stark davon ab, wie viel davon schon vorhanden ist. »Viel hilft viel« mag in Zeiten der Entbehrung eine goldrichtige Erziehungshaltung gewesen sein. Nach dem oben erläuterten pragmatischen Informationsbegriff gilt heute in den meisten Fällen: Weniger ist mehr
.
Spiel in Gefahr? − Fertigkost statt Raum für die Phantasie
Das Spielen ist der höchste Ausdruck der menschlichen Entwicklung in der Kindheit, denn nur das Spiel allein verrät, was in der kindlichen Seele vorgeht. ›… Demjenigen, der einen tieferen Einblick in die Menschennatur hat, offenbart sich in dem vom Kinde, frei gewählten Spiel der ganze zukünftige Lebensweg.‹
FRIEDRICH FRÖBEL
Dass Spiel einen Wert an sich hat, dass es etwas ganz Eigenes, dem alltäglichen Enthobenes, etwas Zauberhaftes, vielleicht sogar etwas Heiliges an sich hat, glauben die Menschen in vielenKulturen. Damit gehen sie weit über das hinaus, was oben über den evolutionsbiologischen Zweck des Spielens gesagt wurde, und das ist gut so. Sonst käme man zu einem im Grunde entmenschlichten Spielbegriff.
Babyschwimmen
Johan Huizinga, der Autor von
Homo ludens
(der spielende Mensch), würde eine auf die Funktion reduzierte Sichtweise des Spielens sogar »schlimmste Kausalitätstyrannei« nennen. 48
Viele Erwachsene, die Kinder beim Spielen genau beobachten, sehen etwas Zauberhaftes, aber auch etwas Zerbrechlichesim innigen Kinderspiel. Das kann vielleicht so aussehen: Zwei Fünfjährige bauen sich aus einem Tisch und einer Wolldecke eine Höhle. Darin wohnen sie, als Mama und Papa mit ihren Kindern, den Puppen. Später wird der Tisch zum Schiff, die Decke zum Segel, und sie fahren als Piraten zur See. Die Butterkekse sind heute Schiffszwieback mit Würmern darin, und die Apfelschnitze sind Fische, die sie mit dem Besenstiel als Angel gefangen haben. Plötzlich kommt der große Bruder vorbei und sagt: »Das sind doch nur Apfelschnitze.« Oder die Oma sagt laut und vernehmlich: »Schau sie dir doch an, die beiden, wie
süß
sie spielen.« Oder Papa kommt mit dem Fotoapparat und will die Idylle als JPG festhalten. Und
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