Medienmuendig
Bildungsschere eher weiter aufklaffen lässt, als dass er sieschließt. 18 Diesem Zusammenhang ist
Kapitel 5
gewidmet, in dem ein zweiter, bedrohlich einsturzgefährdeter Turm dem stabilen Turm aus Kapitel 4 gegenübersteht. Auf die Frage, welche Maßnahmen denn zur Überwindung der digitalen Klüfte geeignet sind, zeigen einige Beispiele ermutigende Antworten, die allesamt im Real Life fest verankert sind.
Früh krümmt sich …
Im
zweiten Teil
geht es dann um Medienmündigkeit für Erwachsene. Was muss ich als Erwachsener, ganz besonders aber als Vater oder Mutter, Lehrerin oder Erzieher über Medien wissen? Wichtig sind zunächst aktuelle Daten und Fakten zu Mediennutzung und Medienausstattung, sowohl im internationalen Vergleich als auch in Deutschland
(Kapitel 6)
. Dazu gehört auch die Beschreibung einer Untersuchung zur bildschirmfreien Kindheit in Deutschland. Dass es diese gar nicht gebe, hört man heute mit einer gewissen gebetsmühlenartigen Regelmäßigkeit,obwohl das Gegenteil sehr wohl zu belegen ist. Wer behauptet, elektronische Medien seien heute ganz automatisch Bestandteil der Kindheit, unterschätzt und verletzt (versehentlich oder absichtsvoll) den Handlungsspielraum von Eltern, Erziehern und Lehrern. Und genau deshalb sind Untersuchungen zum Gelingen bildschirmfreier Räume und Zeiten so wichtig. Legt man Daten zur Mediennutzung für kleine Kinder zugrunde, gibt es in Deutschland mehr als eine Million Kinder, die im Elternhaus überhaupt keine Bildschirmmedien nutzen. Bei weiteren Millionen kommen in der täglichen Routine Bildschirmmedien ebenfalls nicht vor, sondern nur als gelegentliche Ausnahme. Mit mehreren Dutzend solcher Eltern wurden im Rahmen der Untersuchung Interviews geführt. Die Eltern der »bildschirmfreien« Kinder waren selbst zum Teil Nichtfernseher, zum Teil Seltenfernseher, meist Buch- und Zeitungsfans und praktisch alle gemäßigte Computer- und Internetnutzer.
In
Kapitel 7
leitet meine Einladung an Sie, sich einmal selbst ganz genau zu beobachten, zur Frage über: Wie wirken Medien auf Menschen? In der Debatte um Medienwirkungen stehen Medieneuphoriker und Medienkritiker im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Die Euphoriker loben die digitale, vernetzte Gesellschaft über den grünen Klee und blenden ihre Gefährdungen oft völlig aus. 19 Bezeichnenderweise ziehen sie nicht selten direkt oder indirekt finanziellen Nutzen aus der Entwicklung, die sie anpreisen. Gefragt ist stattdessen ein genauer Blick darauf, wie Medien in unserer Gesellschaft wirken, unter Einbeziehung der Chancen und Risiken.
Dabei steht ein beeindruckender Mensch Pate für die Vorgehensweise: Joseph Weizenbaum, der als Professor für Informationstechnologie zu den Pionieren der digitalen und vernetzten Gesellschaft gehörte und gleichzeitig zu den schärfsten Kritikern ihrer menschenunwürdigen Auswüchse. Wenige kennen sich so gut mit der Computer-Software aus wie Weizenbaum. Er verteufelt weder Computer noch TV, sondern kritisiert die Art, wie die Gesellschaft, wie wir mit den Geräten umgehen, undhat dies sehr treffend ausgedrückt: »Ich bin kein Computer-Kritiker. Computer können mit Kritik nichts anfangen. Ich bin Gesellschaftskritiker.«
In einer Diskussion nach einem Vortrag wurde ich gefragt, welche Auswirkung des ausufernden Medienkonsums ich selbst für die schlimmste hielte. Ist Übergewicht schlimmer als schlechte Noten? Ist Gewalt schlimmer als Sucht? Ich kann es nicht sagen. Der große »Erfolg« von TV und PC liegt ja gerade in ihrer Eigenschaft, verschiedene Menschen an ihren sehr verschiedenen Schwachstellen zu »packen«. Wer von sich aus zu Unmäßigkeit neigt, für den werden Übergewicht und Sucht die schlimmsten Folgen sein. Wer ohnehin auf Gewaltbotschaften anspricht, für den ist der Verlust des Mitgefühls besonders problematisch, denn er kann mit einem Mal zu Gewalt neigen. Zwei Auswirkungen der Medien, die noch weniger schlagzeilenträchtig sind, ziehen aus meiner Sicht die schlimmsten Folgen nach sich: die Erosion des kreativen Spiels und den schleichenden Wandel im Selbst- und Weltbild.
Immer mehr Kinder verlieren die Fähigkeit zum innigen und schöpferischen Spiel. Immer mehr Menschen betrachten sich selbst im Grunde als unzulängliche Maschine und nicht als lebendiges, beseeltes menschliches Wesen. Ein Trend, der tiefe Besorgnis auslöst.
Mehr als zehn Seiten lang sind Sie in
Kapitel 8
unter dem Motto »Eltern manipulieren – leicht gemacht« als Leser aufgefordert,
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