Meditation
sich unter anderem auf das ganze Ausmaß des Leidens, das, wie der Buddha sagte, »gänzlich verstanden werden muss«. Anna Kondanna, einer der fünf Mönche, zu denen der Buddha bei dieser Gelegenheit sprach, war der Einzige, der gänzlich verstand. Das ganze Ausmaß des Leidens zu erkennen ist schwierig, etwas in uns will es einfach nicht wahrhaben. Deshalb scheint mir der leichtere Weg zum Stromeintritt darin zu bestehen, dass wir uns auf Anatta oder »Nicht-Ich« und die Herkunft unseres Ich-Gefühls besinnen.
Alles ist bedingt
Im Sammaditthi-Sutta (MN 9) ergeht sich der Mönch Sariputta in epischer Breite über die Lehre des Nicht-Ich. Er geht von den Vier Edlen Wahrheiten als Bezugsrahmen aus und betrachtet unter diesem Gesichtspunkt jeden nur erdenklichen Aspekt von Körper und Geist, um zu zeigen, wie sie alle ganz und gar von Ursachen und Bedingungen abhängen. Dann geht es um die Frage, wie diese Ursachen bereinigt werden können. Die grundsätzliche Bedingtheit aller Phänomene bedeutet, dass alles seine Ursache hat und es folglich nichts aus sich selbst Existierendes und Dauerhaftes gibt, weder ein Ich noch einen Gott oder sonst etwas. Wenn erkannt wird, dass alles eine Ursache hat – etwas, woraus es hervorgeht und wovon es aufrechterhalten wird –, ist auch klar, dass jedes Ding oder Phänomen vergehen muss, sobald seine Ursache nicht mehr besteht.
Sariputta behandelt in diesem Sutta die gesamte Kette des bedingten Entstehens und zeigt auf, dass selbst Bewusstsein eine Ursache hat und es ohne diese Ursache kein Bewusstsein gäbe. Diese Aussage ist von großem Gewicht, denn praktisch alle Menschen – außer den Ariyas – sehen das Bewusstsein, das Erkennende, als ihr Ich an. Und da sie ihr Ich als den Erkennenden ansehen, mögen sie nicht von ihm lassen.
Das Nicht-Ich der fünf Sinne
Eure Unfähigkeit loszulassen erkennt ihr beim Meditieren. Wieso könnt ihr ein Jucken oder ein wehes Knie nicht einfach ignorieren? Weshalb könnt ihr Geräusche nicht einfach lassen, wie sie sind? Weshalb könnt ihr Vergangenheit und Zukunft nicht loslassen? Und weshalb könnt ihr den unruhigen Geist nicht anhalten? Aber anstatt nur still sein zu wollen , seht lieber nach, weshalb ihr es nicht seid. Worin liegt die Ursache für die Unrast, woher kommt sie? Erinnert euch, dass ihr auf dem buddhistischen Pfad seid, dem Weg des Erforschens. Ihr könnt euch nicht mit Willenskraft zum Loslassen bewegen, dazu müsst ihr die Dinge vielmehr verstehen und bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen. Wie entsteht Ruhelosigkeit? Da gibt es natürlich viele Gründe, aber bleibt ihnen auf der Spur, und ihr werdet sehen, dass am Ende alles auf dieses Gefühl hinausläuft, dass ihr ein dauerhaftes Ich habt.
Wir können nicht loslassen, weil wir uns an Körper und Geist klammern, wir fühlen uns als ihre Besitzer. Niemand lässt sich gern von einem Dieb die Brieftasche abnehmen, und genauso halten wir an Körper und Geist fest. Von Dingen, die euch nicht gehören, könnt ihr dagegen ohne Weiteres lassen. Wenn etwas nichts mit euch zu tun hat, kann es ruhig weg sein, es macht euch nichts aus. Wenn Bewusstsein also nicht euer Besitz wäre, schon gar nicht euer wichtigster Besitz, würde euch sein Verblassen bei der Meditation keine Sorgen machen. Wenn das Hörbewusstsein dann schwindet und ihr nichts mehr hört, werdet ihr den Geist nicht mehr wachrütteln wollen, damit er sich auf das Hören besinnt. Ihr seid nicht mehr interessiert, ihr habt davon gelassen. Auch wenn Teile des Körpers verschwinden und nicht mehr gefühlt werden, habt ihr keine Bedenken. Ihr schaltet den Körpersinn nicht eigens wieder ein, ihr kommt ganz gut ohne ihn aus.
Dazu gehört anfangs eine gewisse Bereitschaft, die Zone des Gewohnten und Vertrauten zu verlassen, einfach weil die normale Art der Weltwahrnehmung über die Sinne nicht mehr so zur Verfügung steht. Ihr seid aber bereit dazu, ihr vertraut und ihr versteht auch zunehmend besser, dass die Sinne nicht zu euch gehören. Je besser ihr versteht, dass die verschiedenen Arten von Sinnesbewusstsein nicht euer Sein ausmachen, desto weniger zerbrecht ihr euch den Kopf über sie. Solange wir davon ausgehen, dass diese Dinge uns gehören, beziehen wir unsere Identität von ihnen. Sehen und Essen sind dann Dinge, die unsere Existenz ausmachen, unser Sein scheint durch unsere Sinneserfahrung gegeben zu sein. Es gehört schon ein wenig Vertrauen und Experimentierfreude dazu, diese äußere Schicht abzulegen,
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