Meditation
Achtsamkeit und Weisheit zur Linderung oder sogar Lösung solcher Leiden, dann braucht ihr keine Fantasien und Tagträume als Fluchtwege und es fällt euch viel leichter, die Gebote zu halten und einen reinen Geist zu wahren. Natürlich erfahrt ihr dann auch mehr Freude, ihr findet leichter in die Stille hinein und eure Weisheit nimmt zu. Das ist ein geschlossener Kreislauf, der sich selbst fortsetzt, der euch trägt und immer mehr Kraft entfaltet – und alles, weil ihr eure Weisheit einsetzt.
Das Haar in der Suppe
Behaltet das negative Denken im Auge, es ist der Treibstoff für den nörgelnden Geist. Das Nörgeln meldet sich als leise Unzufriedenheit an und setzt sich dann in euch fest. Es vergiftet euren Geist. Und wenn sich das Nörgeln einmal eingenistet hat, findet es immer neue Anlässe. In den Suttas ist ja nachzulesen, dass die Leute selbst am Buddha einiges auszusetzen fanden. Wenn ihr im besten Kloster der Welt lebt, einen stets einsatzfreudigen Lehrer habt, das beste Essen überhaupt bekommt und in der denkbar behaglichsten Hütte wohnt, wird es doch immer etwas geben, woran man herumnörgeln kann. Als junger Mönch habe ich gelegentlich sogar Ajahn Chah kritisiert, und danach kam ich mir richtig blöd vor. Wenn ich an ihm etwas auszusetzen fand, dem weisesten und selbstlosesten Menschen, dem ich je begegnet bin, dann musste das Problem wohl bei mir liegen …
Wenn du dem Nörgel-Geist das Feld überlässt, fällt er am Ende über dich selbst her. Bei Retreats finden die Leute häufig etwas an ihrer Praxis auszusetzen: »Ich habe immer noch nichts erreicht, die letzten Tage habe ich eigentlich nur geschlafen.« Hütet euch, dieses Herumkritisieren beschert euch am Ende nur Schuldgefühle. Die Schuldgefühle bedingen dann eine Art Selbstbestrafung, und dann klemmt es in der Praxis erst recht.
Haltet euch lieber an die buddhistischen Lehren und wendet das EVL-Verfahren an: Erkennen, Verzeihen, Lernen. Wenn wir einen Fehler begehen, machen wir uns deswegen nicht fertig, sondern sagen uns nur: »Aha, ich bin zu spät gekommen, ich habe verschlafen.« Dann verzeihen wir uns das. Bestrafung ist sinnlos. Echte Weisheit erkennt ohne Weiteres, dass Strafe das Problem nur verschlimmert, weil sie im Geist noch zusätzliche Dinge auslöst, die ebenfalls nicht taugen. Wir verzeihen. Dann können wir loslassen und haben wieder Frieden. Nur was zu Frieden, Freiheit und Erleichterung führt, ist wirklich weise. Wenn du erkannt hast, dass Krittelei dich in die falsche Richtung führt, wirst du nach und nach lernen, sie ganz wegzulassen.
Ich habe vor Kurzem ein Buch über Therapieformen gelesen, die die Ursachen derzeitiger Probleme in früheren Leben aufzuspüren versuchen. Man findet da kein Ende, das ist das Dumme an diesen Ansätzen. Die Vergangenheit einfach loszulassen oder, noch besser, sich an Schönes in der Vergangenheit zu erinnern, das bringt viel mehr. Von schönen Erinnerungen an frühere Erfolge und früheres Glück lernt ihr viel mehr als aus euren Leiden. Denkt an alles, was in der Vergangenheit gut lief und schön war – das richtet euch auf, lässt das Nörgeln einschlafen und macht euch klar, wie die Ursachen für Erfolg aussehen. Vergesst einfach alle eure müden und unruhigen Meditationen, denkt nur an die guten und zieht eure Lehren aus ihnen. Wenn es nur eine einzige gute Meditation gab, wenn ihr nur fünf Minuten beim Atem bleiben konntet, dann denkt einfach ausschließlich daran. Das richtet euch auf, zeigt euch die Richtung, führt euch zu mehr und mehr Frieden. Es ist der Weg der Weisheit.
Es ist gut, den nörgelnden Geist als Problem zu erkennen, als eine Schlange, als Gefahr, der es auszuweichen gilt. Gerade im Westen bilden sich die Leute gern viel auf ihr »kritisches Bewusstsein« ein. Sie schreiben ganze Bücher in diesem Bewusstsein, Fehler aufspüren zu wollen, sie wettern gegen Autoritäten, Traditionen und Institutionen. Vor Jahren war einmal jemand für drei oder vier Wochen im Wat Pah Nanachat und schrieb dann ein Buch über seine Erlebnisse. Er zog gewaltig über das Kloster und Ajahn Chah her. Er nahm alles aufs Korn, was seiner Meinung nach falsch war, und dabei kam natürlich ein sehr unausgewogenes und unfaires Buch heraus. Weshalb tut man so etwas? Nun, für viele hat das Nörgeln und Kritteln etwas Befriedigendes. Aber Vorsicht, die Gefahren sind weitaus größer als die Befriedigung. Wenn ihr das einmal gesehen habt, wisst ihr, dass der Geist des Ankreidens eine
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