Meditation
aufhört, leidet ihr. Ihr habt also die Wahl, weiter zu leiden oder Parinibbana zu erlangen. Wenn ihr die Vier Edlen Wahrheiten und das in der Natur des Daseins liegende Leid erfasst habt, wird euch klar, dass Parinibbana wirklich die einzige Möglichkeit ist.
Wo Leid erfahren wird, meldet sich Verlangen. Leid bringt euch in Bewegung, ihr habt das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen. Ich wechselt den Standort – von hier nach da, vom Laien zum Mönch oder umgekehrt. Leid bewegt die Welt. Ohne Leid wäret ihr völlig zufrieden und hättet keinen Grund, euch zu bewegen. Deshalb werdet ihr umso stiller, je zufriedener und glücklicher ihr seid. Die Jhanas sind so unglaublich still, weil sie so viel Glückseligkeit bieten und es daher keinen Grund gibt, sich zu bewegen und anderswo das Glück zu suchen. Das Ausmaß eurer Leiden ist direkt daran abzulesen, wie viel ihr euch äußerlich und innerlich bewegt. Je mehr ihr beim Meditieren leidet, desto unruhiger seid ihr. Ohne Leid oder mit wenig Leid könnt ihr stundenlang in Frieden und Stille sitzen. Wo keine Probleme sind, was gäbe es da zu tun?
Leid ist also das, was euch auf der Suche nach Lösungen von Ort zu Ort und von Geburt zu Geburt gehen lässt. Alles im Leben dreht sich um Beendigung des Leidens, aber Lösungen sind in der Welt, im Samsara , nicht zu finden. Und es gibt keinen Himmel, in dem ihr für immer glücklich und zufrieden existieren könnt. Wenn ihr einmal nachdenkt, wird euch auffallen, dass es einen solchen Himmel gar nicht geben kann. Das köstlichste Essen, die unglaublichsten Sexabenteuer – wenn ihr das ständig haben könnt, wird es bald langweilig. Es ist einfach immer wieder dasselbe. Man kann nicht immer nur Lust und Vergnügen haben, jedes Glück hängt von etwas Vorausgehendem ab. Wenn ihr euch sehr genau anseht, was Lust ist, werdet ihr sehen, dass sie einfach eine Pause zwischen zwei Leidenszuständen ist. Das Essen ist herrlich, weil ihr eine Weile nichts gegessen habt und hinterher auch wieder eine Weile nichts essen werdet. Wenn ihr den ganzen Tag ununterbrochen futtern würdet, könntet ihr dann noch etwas schmecken, geschweige denn genießen? Einen immer und ausschließlich glücklichen Himmel kann es nicht geben, denn Lust könnt ihr nur aus der Erfahrung des Leidens erleben. Anders gesagt, es kann in dieser Welt keine vollständige und endgültige Befriedigung geben.
Wenn ihr die Leute fragt, ob sie zufrieden sind, dann verlasst euch nicht einfach auf die Antworten. Seht genau hin: Sind sie wirklich ans Ende des Leidens gekommen oder haben sie es nur für eine Weile beschwichtigt? Ich sehe kranke Menschen, Sterbende, Leute mit Problemen jeglicher Art. Ich sehe auch glückliche Menschen, aber ich weiß, dass ihr Glück nur ein vorübergehender Zustand zwischen zwei Leidensphasen ist. Auch sie werden irgendwann krank und sterben. Ehepaare sind eine Zeit lang glücklich, aber dann streiten sie doch und vielleicht kommt die Scheidung mit Enttäuschung, Ärger und der ganzen Niedergeschlagenheit. Manche hatten eine glückliche Kindheit, aber beim nächsten Mal kann es ganz anders aussehen. Andere hatten eine furchtbare Kindheit und werden vielleicht im nächsten Leben genauso schlimme oder noch schlimmere Eltern bekommen. Solche Überlegungen sollten ausreichen, euch die Wiedergeburt zu verleiden. Dass ihr klug seid und in diesem Leben nur gutes Kamma anhäuft, heißt noch lange nicht, dass euch künftige Leiden erspart bleiben. Jeder verfügt über einen gewaltigen Vorrat an gutem und schlechtem Kamma , die Zukunft ist immer ungewiss.
Eine der aussagekräftigsten Lehren des Buddha finde ich in seinem Stock-Gleichnis (SN 15,9; 56,33). Als ich es das erste Mal las, fröstelte es mich regelrecht. Das Gleichnis besagt Folgendes: Welches Kamma gerade ausreift, wenn wir sterben, ist so ungewiss wie die Antwort auf die Frage, welches Ende eines in die Luft geworfenen Stocks zuerst auf dem Boden auftreffen wird. Sicher, ein Stock kann ein schweres und ein leichteres Ende haben, und die Wahrscheinlichkeit, dass er mit dem schwereren Ende aufschlägt, ist größer. Aber da wirbelt er nun in der Luft, und es besteht immer die Möglichkeit, dass er doch mit dem leichteren Ende aufschlägt. Selbst wenn ihr also viel gutes Kamma ansammelt – ihr seid gebefreudig, haltet die Gebote, seid freundlich, haltet den Geist rein und meditiert –, es kann trotzdem sein, dass gerade das schlechte Kamma ausreift, wenn ihr sterbt. Einen Vorrat an
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