Meditation
die aus den fünf Arten von Sinnesbewusstsein besteht. Wenn das Sinnesbewusstsein anfängt zu verblassen, ändert sich unsere gesamte Selbstwahrnehmung, und wir sehen uns nicht mehr als Menschen, die in der Welt leben. Mit »in der Welt leben« meine ich nicht Geschäftemacherei, Hausbau, Sex, Kino und all das. Ich meine das Leben in der Welt der fünf Sinne – sehen, fühlen, sich um die Meinung der Leute sorgen und jede andere Beschäftigung mit Sinnesobjekten dieser oder jener Art.
Weshalb betone ich das so? Wenn ihr sehen könnt, dass ihr nicht euer fünffaches Sinnesbewusstsein seid, dass es nichts mit euch zu tun hat, ist sofort klar, dass es nicht eurer Kontrolle unterliegen kann. So viele Menschen verbringen ihr ganzes Leben in dem Bemühen, unangenehme Erfahrungen möglichst zu verhindern und nur ja nichts Hässliches sehen zu müssen, keine unfreundlichen oder groben Worte hören zu müssen, keine Schmerzen zu haben. Sie gehen zu Ärzten und Zahnärzten und nehmen milde oder starke Schmerzmittel ein, sie tun alles, um körperliche Schmerzen zu verhindern, aber viel Erfolg haben sie damit nicht. Es kann nicht gelingen, einfach weil diese unerfreulichen Erfahrungen ihre ganz eigenen Ursachen haben, zum Beispiel Natur und Kamma . Die Ursache von Alter, Krankheit und Tod ist das Geborenwerden. Ihr seid geboren worden, und da hilft jetzt nichts mehr: Ihr werdet Schmerz und Alter erleben, ihr werdet krank und schwach werden und sterben. Und da diese Dinge doch nicht zu vermeiden sind, müsst ihr sie akzeptieren und den Kampf aufgeben.
Wenn ihr verstanden habt, dass die Sinne nichts mit euch zu tun haben, werden sie ganz von selbst ihre Wichtigkeit für euch verlieren, ihr lasst sie verblassen, sogar die Gebrechen und Schmerzen des Körpers. Große Schmerzen haben und doch lächeln, geht das? Wenn die Sinne nichts mit euch zu tun haben, muss das auch für Schmerzen gelten. Und wenn Schmerz nicht mit euch zu tun hat, nehmt ihr ihn nicht mehr wichtig und lasst ihn unbeachtet. Ihr achtet nur auf das, was ihr wichtig nehmt.
Ich finde es sehr interessant zu beobachten, was die Leute wichtig nehmen. Wenn sie sich im Fernsehen einen Film oder ein Fußballspiel ansehen, essen sie ganz gern etwas dazu, aber sie merken eigentlich nicht viel davon. Der Geschmack des Essens ist jetzt nicht wichtig, was zählt, ist das Spiel oder der Film. Vielleicht wissen sie nicht einmal, was sie da essen. Könnt ihr so konzentriert beim Atem bleiben, dass ihr nicht wisst, was ihr gerade esst? Könnt ihr Vergänglichkeit, Leid und Nicht-Ich so intensiv betrachten, dass ihr den Geschmack eurer Speisen nicht mehr wahrnehmt? Ihr bemerkt den Geschmack oder Duft nur dann, wenn ihr ihn wichtig nehmt. Und ihr nehmt ihn wichtig, weil euer Ich-Gefühl, euer Gefühl von Identität und Sein, aus Sinneserfahrung gebaut ist.
In eurer buddhistischen Praxis wendet ihr euch in die Gegenrichtung. Ihr bedenkt und versteht die Lehren des Sam maditthi-Sutta (MN 9) oder Anattalakkhana-Sutta (SN 22,59) und gewinnt eine andere Sicht der Dinge. Die fünf Sinne haben nichts mit euch zu tun. Sie werden aufgrund von Ursachen aktiv, und wenn diese Ursachen ausgeschaltet sind, sind auch die Sinne abgeschaltet. Wenn es dann so weit ist, dass sie verblassen, nehmt ihr das nicht so wichtig, es geht euch nichts an. Ihr schaltet die Sinne nicht wieder ein, ihr lasst sie los.
Bleiben die fünf Sinne für längere Zeit aus, seid ihr in ein Jhana eingetreten. In der Pali-Beschreibung des ersten Jhana kommt der Ausdruck vivicc’eva kamehi vor – getrennt, entfernt und losgelöst von der Aktivität der fünf Sinne. Ihr fühlt den Körper nicht, weil der Geist für die Dauer des Jhana über den fünf Sinnen steht. Danach ist euch klar, dass die fünf Sinne nicht zu euch gehören, und das ist eine wichtige Erkenntnis, die erste klare Bestätigung der buddhistischen Nicht-Ich-Lehre. Wenn ihr noch kein Jhana erlebt habt, weil ihr noch nicht so weit lassen könnt, fragt euch nach dem Grund. Was ist der Grund für euer Haften? Weshalb nehmt ihr den Körper oder Geräusche, Gefühle, Fantasien, Träume und innere Dialoge so wichtig? Macht euch erneut bewusst, dass sich all das im Raum der fünf Sinne abspielt und folglich nichts mit euch zu tun hat. Sinnesbewusstsein spinnt sich aufgrund von Ursachen fort, und eine der Hauptursachen liegt darin, dass ihr euch dafür interessiert und darauf einlasst – kurzum, ihr haftet daran. Schneidet es ab, lasst es auf sich beruhen.
Hier
Weitere Kostenlose Bücher