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Medizin für Melancholie

Medizin für Melancholie

Titel: Medizin für Melancholie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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ältester Sohn.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie.
    »Vielleicht kehren wir nächstes Jahr oder ein oder zwei Jahre später in die Stadt zurück«, sagte er ruhig. »Mir ist warm. Wie wär’s mit ein paar Schwimmstößen?«
    Sie wandten dem Tal den Rücken zu und gingen Arm in Arm einen Pfad mit klarem, rieselndem Frühlingswasser hinunter.
    Fünf Jahre später fiel ein Raumschiff vom Himmel. Es lag dampfend im Tal. Männer sprangen rufend daraus hervor.
    »Wir haben den Krieg auf der Erde gewonnen! Wir kommen, um euch zu retten! He!«
    Aber in der von den Amerikanern erbauten Stadt mit ihren Hütten, ihren Pfirsichbäumen und Theatern rührte sich nichts. Sie entdeckten ein primitives Raumschiffgerüst in einer leeren Werkstatt.
    Die Neuankömmlinge forschten durch die Hügel. Der Hauptmann schlug in einer verlassenen Bar das Hauptquartier auf. Sein Leutnant kam zurück und erstattete ihm Bericht.
    »Die Stadt ist leer, aber auf den Hügeln haben wir Einheimische gefunden, Sir. Dunkle Leute. Gelbe Augen. Marsmenschen. Sehr freundlich. Wir haben mit ihnen gesprochen, aber nicht viel. Sie lernen schnell Englisch. Ich bin überzeugt, wir werden freundliche Beziehungen mit ihnen unterhalten, Sir.«
    »Dunkelhäutige Leute, ja?« sagte der Hauptmann nachdenklich. »Wie viele?«
    »Sechs- bis achthundert, würde ich sagen. Sie leben in den Marmorruinen auf den Hügeln, Sir. Sie sind groß und gesund. Schöne Frauen.«
    »Haben sie Ihnen gesagt, was aus den Männern und Frauen geworden ist, die diese Siedlungen der Erdleute erbauten, Leutnant?«
    »Sie haben keine blasse Ahnung davon, was aus dieser Stadt und ihren Einwohnern geworden ist.«
    »Merkwürdig. Glauben Sie, daß diese Martianer sie umgebracht haben?«
    »Sie sehen erstaunlich friedlich aus. Vielleicht hat eine Seuche die Stadt heimgesucht, Sir.«
    »Vielleicht. Das ist wohl eines jener Geheimnisse, die wir nie ergründen werden. Eines der Geheimnisse, über die dann viele Bücher geschrieben werden.«
    Der Hauptmann betrachtete den Raum, die verstaubten Fenster, die blauen Berge dahinter, die Kanäle, die sich im Licht dahinzogen, und hörte den leisen Wind. Er erschauerte. Dann faßte er sich und schlug mit der Hand auf eine große neue Landkarte, die er auf einen leeren Tisch geheftet hatte.
    »Es gibt viel zu tun, Leutnant.« Seine Stimme murmelte eintönig weiter, während die Sonne hinter den blauen Hügeln versank. »Wir müssen neue Siedlungen bauen. Nach Grubenanlagen, nach Mineralien forschen. Bakteriologische Proben nehmen. All das. Die alten Aufzeichnungen sind verlorengegangen. Ein schönes Stück Arbeit: die Karten neu zeichnen, Bergen und Flüssen Namen geben. Dazu braucht man Phantasie.
    Was halten Sie davon, wenn wir diese Berge die Lincoln-Berge, diesen Kanal den Washington-Kanal nennen? Diesem Hügel können wir ja Ihren Namen geben, Leutnant. Aus diplomatischen Gründen. Und Sie könnten mir den Gefallen tun und eine Stadt nach mir nennen. Eine Hand wäscht die andere. Und warum sollten wir dies hier nicht das Einstein-Tal und das da hinten… hören Sie überhaupt zu, Leutnant?«
    Der Leutnant löste seinen Blick von den blauen, still im Nebel liegenden Hügeln fern hinter der Stadt.
    »Wie bitte? O ja, sicher, Sir.«

 
Das Lächeln
     
     
     
    Auf dem Hauptplatz hatte sich schon um fünf Uhr morgens eine Schlange gebildet, als weit draußen im bereiften Land die Hähne krähten und noch kein Feuer brannte. Anfangs hatten überall um die zerstörten Gebäude herum Nebelfetzen gehangen, aber jetzt, um sieben Uhr, im ersten Morgenlicht, begannen sie sich aufzulösen. Auf der Straße versammelten sich in Gruppen von zweien und dreien immer mehr Leute für den Markttag.
    Der kleine Junge stand dicht hinter zwei Männern, die sich in der klaren Luft laut unterhielten; alle Geräusche klangen in der Kälte doppelt so laut. Der kleine Junge stampfte mit den Füßen, blies in seine roten, aufgesprungenen Hände, blickte an der schmutzigen, groben Sacktuchkleidung der Männer hinauf und an der langen Reihe der Männer und Frauen vor ihm hinunter.
    »Nanu, Junge, was machst du denn so früh hier draußen?« fragte der Mann hinter ihm.
    »Ich hab meinen Platz in der Reihe«, antwortete der Junge.
    »Warum verschwindest du nicht und gibst deinen Platz jemand, der wirklich was damit anzufangen weiß?«
    »Lassen Sie den Jungen in Ruhe«, sagte der Mann weiter vorn, der sich plötzlich umdrehte.
    »Ich habe ja nur Spaß gemacht.« Der Mann

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