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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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weiter er in dieses Abenteuer hineingezogen wurde, desto mehr hatte er das Gefühl, sein ehemaliger Kamerad hatte ihn nur benutzt, um die Drecksarbeit für ihn zu erledigen. Warum war er nicht selbst gekommen, wenn ihm der Stein so am Herzen lag? Wusste er vielleicht um die Gefahren und hatte absichtlich nichts gesagt, um kein Risiko einzugehen? Durand spürte, dass er der Wahrheit damit sehr nahe kam. Er fühlte sich ausgenutzt und war jetzt an einem Punkt angelangt, an dem er sich entscheiden musste. Nein, dachte er. Wenn er ehrlich zu sich war, so hatte er seine Entscheidung schon getroffen, es war ihm nur noch nicht bewusst gewesen. Jetzt war alles klar. Er würde sich nicht länger als Handlanger betätigen, sondern das Heft selbst in die Hand nehmen. Obwohl er wusste, dass ihm das weitere Schwierigkeiten einbringen konnte, stand der Entschluss fest. Auch Irene schien seinen Sinneswandel bemerkt zu haben. Sie sah ihn mit ihren Sphinxaugen an.
    »Ist es Ihnen wirklich ernst damit?«
    »Worauf Sie sich verlassen können. Ich habe noch niemals mein Wort gebrochen. Manche mögen mich als korrupt bezeichnen, als machtbesessen oder intrigant, aber jeder wird Ihnen bestätigen, dass das Ehrenwort von François Philippe Durand in allen Ländern der Welt Gültigkeit besitzt. Es stimmt, es gab die Bitte, niemanden von der Expedition am Leben zu lassen. Es durfte keine Zeugen geben, so lautete der Auftrag.«
    »Und was hat Sie bewogen, Ihre Meinung zu ändern?«
    Schweiß kroch seinen Hals empor und durchnässte seinen Kragen, so dass der Stoff unangenehm auf der Haut scheuerte. Erwartete sie am Ende, dass er hier eine Liebeserklärung abgab? Das war ja lächerlich. Er liebte diese Frau doch nicht. Er fand sie faszinierend, gewiss, aber Liebe? Er wusste noch nicht mal, wie sich das anfühlte. Er hatte noch nie etwas ernsthaft mit einer Frau angefangen. Die Besuche in den schmierigen Bordellen der Garnisonsstädte zählten da nicht, kurzweilige Vergnügen waren das, die etwas Abwechslung in den tristen Alltag brachten, mehr nicht. Ihr etwas von Soldatenehre zu erzählen, fand er auch unpassend. Sie würde es nicht verstehen. Aber irgendetwas musste er jetzt sagen. Er spürte, wie ihre Blicke auf ihm brannten.
    »Glauben Sie an Vorbestimmung?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine, hatten Sie schon einmal das Gefühl, dass etwas nicht aus purem Zufall geschieht, sondern einem bestimmten Muster folgt? Einem Plan, wenn Sie so wollen?«
    Sie antwortete nicht.
    »Schon damals, als Sie mein Büro im Fort betraten, hatte ich das Gefühl, Sie zu kennen. Sicher, Ihr Gesicht war mir vertraut, durch diverse Fernsehsendungen und Zeitungen. Doch was ich damals spürte, war eine Art Seelenverwandtschaft. Nein, lachen Sie jetzt bitte nicht. Ich habe Probleme, die richtigen Worte zu finden.« Er spürte ihre Blicke auf sich ruhen und wusste, dass seine nächsten Worte entscheidend waren. »Es gab einen bestimmten Zeitpunkt, an dem ich fühlte, dass Sie den Tempel entdeckt hatten«, fuhr er fort. »Fragen Sie mich nicht, wie das möglich war, ich wusste es einfach. Genauso, wie ich wusste, wo genau Sie und Ihre Kollegen sich aufhielten. Und das, obwohl ich noch nie zuvor an diesem Ort war. Und dann, nach der Katastrophe, als ich Sie dort unten in den Stollen fand, wusste ich, dass Sie noch am Leben waren, obwohl die Chancen bei null lagen. Ich wusste es einfach. All das sagt mir, dass zwischen uns eine Verbindung besteht, die ich nicht leichtfertig aufs Spiel setzen werde. Das war’s, jetzt können Sie lachen.«
    Er lehnte sich zurück und atmete tief durch. Doch Irene Clairmont lachte nicht. Sie kicherte nicht einmal. Sie sagte kein Wort, sondern starrte nur hinaus in die endlose Weite. Durand, dem in diesem Moment tausend Gedanken auf einmal durch den Kopf gingen, spürte, wie sich ihre Hand auf sein Knie legte und dort liegen blieb. Leicht wie eine Feder.
     
    Hannah drehte sich um und warf einen Blick auf die Strecke, die sie bereits zurückgelegt hatten. Sie waren jetzt lange genug unterwegs, um sich eine Pause zu gönnen. Die Steilwand, die sie bei ihrem ersten Besuch hochgestiegen waren, hatte sich für Chris als unpassierbar erwiesen. Sie waren daher einem Pfad gefolgt, der sie in einer gemäßigten Steigung hinab ins Tal geführt hatte.
    »Warte einen Augenblick, ich muss kurz durchatmen.« Chris sackte hinter einem Felsen zusammen, der ihm etwas Schutz vor den heftigen Sandböen bot. Hannah biss sich auf die Lippen. Mitleid

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