Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
Einfluss des Lichts haben. Sie können die Aufnahme noch so oft durch Ihre Computer jagen, Sie werden doch immer wieder Schattenzonen entdecken, die ein völlig verfälschtes Bild wiedergeben. Nur ein Kartograf, der mit den Verhältnissen vor Ort vertraut ist, wird in der Lage sein, diese optischen Täuschungen auszumerzen.«
    Er hielt die Zeit für gekommen, einen Vorstoß zu wagen, und ergriff ihre Hand. »Wollen Sie mir nicht endlich verraten, wohin die beiden zu fliehen versuchen?«
    Irene schien auf diese Frage gewartet zu haben. »Welche Veranlassung hätten Sie dann noch, mich am Leben zu lassen?«
    Sie sah ihn herausfordernd an. »Diese Information ist meine einzige Sicherheit. Ich wäre dumm, sie voreilig auszuplaudern.«
    Das war genau die Antwort, die Durand erwartet hatte, und es bestätigte ihm, dass sie wieder vollkommen Herr ihrer Sinne war. Wenn er die Information wirklich haben wollte, musste er feinfühlig vorgehen. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
    »Wie alt sind Sie, Irene?«
    Überrascht hob sie den Kopf. »Warum fragen Sie das?«
    »Weil ich Sie überzeugen möchte, mir zu vertrauen.«
    Sie überlegte kurz, dann reckte sie ihr Kinn vor und antwortete: »Ich werde im Januar dreiundvierzig.«
    Durand bemühte sich um ein Lächeln, von dem er hoffte, es möge warmherzig wirken. »Ich habe es vermutet. Bitte halten Sie mich nicht für einen Charmeur, doch Ihrem Aussehen nach hätte ich Sie auf höchstens fünfunddreißig geschätzt. Aber etwas in Ihren Augen hat mich überzeugt, dass Sie älter sein müssen. Eine Art tieferes Verständnis für die Dinge. Nennen Sie es Weisheit oder Lebenserfahrung, ganz wie Sie wollen.«
    Jetzt setzte er zum entscheidenden Vorstoß an. Wenn es jetzt nicht klappte, war er mit seinem Latein am Ende. »Sicher haben Sie schon viel erlebt und viel gesehen. Ich möchte, dass Sie in sich hineinhorchen und das wahrnehmen, was Ihre innere Stimme Ihnen sagt. Glauben Sie, dass ich lüge, wenn ich Ihnen versichere, dass ich Sie unbeschadet gehen lasse? Beantworten Sie diese Frage ganz ehrlich. Unabhängig davon, wie Sie sich entscheiden, ob Sie mir helfen oder nicht, Ihnen wird nichts geschehen. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort. Doch wenn Sie sich für mich entscheiden, sollten Sie es bald tun. Bis morgen früh können Sie sich die Sache durch den Kopf gehen lassen. Sabu wird Ihnen nachher ein Abendessen bringen. Sie dürfen sich auch nach Belieben Bücher aus meiner Sammlung nehmen. Fühlen Sie sich einfach wie zu Hause.«
    François Philippe Durand erhob sich, ging zur Tür und wollte gerade den Raum verlassen, als er ihre Stimme hörte.
    »Montagnes Bleues.«
    Er blieb wie angewurzelt stehen, die Türklinke immer noch in der Hand. Dann drehte er sich zögernd um. »Was sagen Sie da? Das hieße ja, sie fliehen in östlicher Richtung. Aber das ist Wahnsinn. Da draußen ist nichts. Die Montagnes Bleues liegen am Rand der Ténéré , einer Wüste, so unvorstellbar groß und leer, dass es unmöglich ist, sie zu Fuß durchqueren zu wollen. Sind Sie sicher?«
    Er sah, dass ihr Finger auf einem bestimmten Punkt auf der Karte ruhte. »Hannah Peters hat mir von ihrer Begegnung mit einem Tuareg erzählt, der ihr die Fundstätte im Tassili N’Ajjer gezeigt hat. Sie erwähnte immer wieder, wie gern sie ihn nach erfolgreicher Beendigung der Expedition in seinem Sommerlager aufsuchen würde, um ihm für seine Hilfe zu danken. Ich bin ganz sicher, dass sie versuchen wird, bei ihm Unterschlupf zu finden. Sein Name ist Kore.«
    Durands Gesicht verfinsterte sich. »Kore Cheikh Mellakh, vom Stamm der Kel Ajjer ?«
    Irene hob erstaunt die Augenbrauen. »Sie kennen ihn?«
    »Allerdings. Er ist ein amahar , ein hartgesottener, stolzer Bursche, geboren und aufgewachsen in der großen einsamen Leere. Von edler Abstammung und sehr wohlhabend. Er kommt jedes Jahr hierher und hat bisher allen Versuchen widerstanden, sich den Rebellen anzuschließen. Er sagt, Politik ginge ihn nichts an, er fühle sich allein Allah verantwortlich, und so weiter. Einer der letzten wahren Tuareg.«
    »Sie sprechen von ihm, als bewunderten sie ihn.«
    Durand lachte. »In gewisser Weise ist er mir ähnlich. Ein Traditionalist und echter Sturkopf. Er hat mir schon viele Schwierigkeiten gemacht. Wenn Carter und Peters es wirklich schaffen sollten, zu ihm zu gelangen, könnte es Probleme geben. Sind Sie vertraut mit dem Gastrecht der Tuareg?«
    »Ich weiß nur, dass es

Weitere Kostenlose Bücher