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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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unaufhörlich die Fluten der Wüste nagten.
    Hannah blickte versonnen in den Rückspiegel. Der Lkw, das neue Mitglied ihrer Kolonne, wankte und schlingerte im Staubwind, hielt sich trotz seiner Größe und seines Gewichts aber recht wacker.
    In Agadez hatte man ihnen mitgeteilt, dass es an Selbstmord grenzen würde, ohne bewaffnete Eskorte in den Aïr zu fahren. Seit zehn Jahren schon wurde diese Gegend von Tuareg-Rebellen kontrolliert, die gegen das Militärregime des Niger kämpften und nur das Faustrecht gelten ließen. Die Anweisung, die sie in Agadez erhalten hatten, war klar und unmissverständlich gewesen: keine Freigabescheine ohne Eskorte. Hannah hatte mit so etwas gerechnet, aber Irene war außer sich, als man ihr die Summe nannte, die man ihnen für Proviant und Schutzmaßnahmen abverlangen wollte. Gouverneur Ben Jamar, ein blendend aussehender Mann von etwa sechzig Jahren, war sehr daran interessiert, zu erfahren, was ein so großes Team unter Leitung der berühmten Irene Clairmont ausgerechnet im Aïr verloren hatte. Hannah und Abdu erklärten es ihm, ohne allzu viel von der eigentlichen Mission durchsickern zu lassen. Zwei Tage dauerten die Verhandlungen, ehe sich Jamar, dem es gewaltig gegen seine Prinzipien zu gehen schien, mit zwei Frauen zu streiten, auf einen Betrag einließ, der knapp die Hälfte der ursprünglich veranschlagten Summe betrug. Die Differenzen ließen sich überraschend schnell aus der Welt schaffen, als Irene vorschlug, mit ihm zusammen für ein Foto zu posieren, das in dem geplanten Bildband erscheinen würde. Seine Eitelkeit war seine Achillesferse.
    Als sich alle Parteien mit dem Handel einverstanden erklärt hatten, wurde er mit einem scharfen Dattelschnaps besiegelt. Anschließend wurde das besagte Foto geschossen und mit einem weiteren Dattelschnaps gefeiert. Danach hatte man sie zu dem versprochenen Lkw geführt. Hannah war ganz schlecht geworden, als sie sah, was man sich hierzulande unter einer leichten Eskorte vorstellte. Vierzehn Mann, bis an die Zähne bewaffnet mit Kalaschnikows, panzerbrechenden Granaten und einem schweren Maschinengewehr, hatten es sich zwischen den Konserven und Reissäcken gemütlich gemacht. Angeführt wurde die Truppe von Mano Issa, einem vierschrötigen Tuareg vom Stamm der Kel-Aïr , der zugleich als einheimischer Berater der Expedition fungierte. Mano war für einen Tuareg überraschend kurz geraten, doch wusste er die fehlende Körpergröße durch eine Ehrfurcht gebietende Autorität zu kompensieren. Seine Leute, Männer aus dem Hochland des Aïr , waren ihm bedingungslos ergeben. Sosehr Hannah sich auch gewünscht hatte, das Unternehmen ohne diese hochgerüstete militärische Präsenz fortsetzen zu können, hatte sie sich eines Besseren belehren lassen, als sie der ersten bewaffneten Patrouille begegnet waren. Der Aïr war nicht zu vergleichen mit dem Tassili N’Ajjer . Dies war eine andere Gegend, und hier herrschten andere Gesetze.
    Der Staubsturm peitschte die Akazien von Iférouane und ließ sie wie wabernde Gespenster aussehen.
    »Gott sei Dank, wir haben es geschafft«, seufzte Hannah erleichtert, während sie die Last der Fahrt abzuschütteln versuchte. Ihr Baumwollhemd klebte schweißnass am Körper. Acht Stunden in dieser mörderischen Hitze waren mehr, als selbst sie zu ertragen vermochte. Durch die getönten Scheiben der Hummer-Wagons war nicht zu erkennen, wie es den restlichen Mitgliedern des Teams ergangen war, aber sie vermutete, dass sie in ähnlicher Weise unter der mörderischen Hitze gelitten hatten. Zumal sie schon wenige Kilometer hinter Agadez die Klimaanlagen abgeschaltet hatten, weil sie eine Überhitzung der Motoren befürchteten.
    Nur Mano Issa und seine Tuareg schienen guter Dinge zu sein. Sie lachten und scherzten, während ihnen der Staub um die Ohren pfiff. Es machte doch einen Unterschied, ob man in diesem Land geboren war oder lediglich einige Jahre hier gelebt hatte. Während sie den Landcruiser in den Schutz lehmfarbener Gebäude steuerte, erinnerte sie sich an ihren Lehrer und Mentor Theodore Monod, der einmal gesagt hatte, dass man die Wüste als Europäer nie so verstehen und lieben könne wie ein Tuareg. Selbst wenn man sein ganzes Leben hier verbracht hatte. Diese Worte stammten aus dem Munde eines Mannes, der die Wüste mehr geliebt und verehrt hatte als alle Forscher, denen Hannah je begegnet war.
    »Hannah?« Abdu beugte sich zu ihr herüber. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, entschuldige«, murmelte

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