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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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lächelnd auf seine Epauletten. »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, und möchte Sie in der Oase Iférouane herzlich willkommen heißen.«
    Hannah war überrascht. Nie im Leben hatte sie damit gerechnet, in dem Fort einem Mann mit derart gepflegten Umgangsformen zu begegnen. Sie beeilte sich, die Mitglieder des Teams vorzustellen. Der Oberst begrüßte jeden Einzelnen mit Handschlag. Danach nahm er die Papiere in Empfang und studierte sie mit einer Gewissenhaftigkeit, die an Pedanterie grenzte. Währenddessen hatte Hannah Zeit, sich umzusehen. Außer Atlanten und Schmökern über Militärgeschichte entdeckte sie in den Bücherregalen erstaunlich viele Werke der Weltliteratur – unter anderem Der alte Mann und das Meer, Schuld und Sühne, Hundert Jahre Einsamkeit, Jahrmarkt der Eitelkeit, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit sowie ein sehr zerlesenes Exemplar von Arnauds Lohn der Angst. Beeindruckt schüttelte sie den Kopf. Wie kam es nur, dass ein derart belesener Mann in der Einöde des Aïr lebte?
    Es dauerte eine Ewigkeit, bis Durand seinen Kopf hob und sie mit einem zufriedenen Lächeln bedachte. » Bon. Die Papiere sind in Ordnung.« Er sortierte die Durchschläge, legte sie in einen abgewetzten Ordner und händigte ihnen den Rest wieder aus. »Verlieren Sie sie nicht. Es ist durchaus möglich, dass Sie im Tamgak von einer Patrouille danach gefragt werden. Dies ist in den letzten Jahren eine unsichere Gegend geworden. Die Tuareg-Clans haben sich unter der Führung von Ibrahim Hassad zu einer mächtigen Allianz verschworen, die uns viel Ärger bereitet. Ihr Ziel ist es, einen eigenen Staat zu gründen. Eine absurde Idee, die wir im Keim ersticken werden.« Der Oberst machte eine Bewegung mit der Hand, als wolle er eine Fliege zerdrücken. »Erlauben Sie mir die Frage, was es so Besonderes in diesem Teil der Welt gibt, dass die National Geographic Society eine Expedition schickt?«
    Hannah spürte, dass sie diesen Mann nicht so leicht abwimmeln konnten wie den Gouverneur in Agadez. Sie entschied sich daher, mit offenen Karten zu spielen.
    »Wir kommen geradewegs aus dem Tassili N’Ajjer , wenn man den Umweg von tausend Kilometern einmal außer Acht lässt.«
    Der Oberst lachte. »Ich vermute, Sie spielen auf den Umweg über Arlit und Agadez an. Von hinten durch die Brust ins Auge, wie man so schön sagt. Nun ja, es mag einem ein wenig umständlich vorkommen, aber so funktionieren die Dinge hier nun einmal. Europäische Geradlinigkeit ist unerwünscht. Der Verwaltungsapparat will etwas zu tun haben, und er will vor allem gut geschmiert sein. Aber bitte, fahren Sie fort.«
    »Vor etwa einem halben Jahr bin ich auf außergewöhnliche Felszeichnungen gestoßen, die ein ganz neues Bild auf die Entwicklungsgeschichte der Menschheit werfen. Die National Geographic Society fand die Darstellungen so interessant, dass sie eine Expedition ausrüstete. Sie plante, einen Film über meine Entdeckungen zu drehen. Während der Arbeiten stießen wir auf Spuren, die direkt hierher wiesen. Mit Ihrer Erlaubnis würden wir diesen Spuren gerne folgen.«
    Durand runzelte die Stirn. »Spuren? Ich möchte Ihnen ja nicht die gute Laune verderben, aber es gibt in diesem Gebirge keine Spuren. Hier ist nichts, was irgendwie außergewöhnlich oder gar sensationell wäre. Ich lebe schon seit fünfzehn Jahren in diesem Land und kenne den Aïr so gut wie die sprichwörtliche Westentasche. Besonders den Adrar Tamgak . Wie Sie sich vielleicht denken können, habe ich in diesen fünfzehn Jahren genug Zeit gehabt, um mich mit meinem Einsatzgebiet vertraut zu machen. Ich habe alle geologischen Besonderheiten und prähistorischen Felsdarstellungen aufgesucht. Sie wurden bereits vor vielen Jahren dokumentiert und sind mit denen des Tassili N’Ajjer nicht zu vergleichen, wenn Sie mir das bescheidene Urteil eines Laien gestatten.« Seinen freundlichen Worten zum Trotz warf er ihr einen scharfen Blick zu, als wollte er sie warnen, ihm eine Lüge aufzutischen.
    Hannah entschied, dass es besser war, die Wahrheit zu sagen. Sie wussten ja noch nicht mal mit Bestimmtheit, ob sie hier wirklich etwas finden würden. Darüber hinaus lehrte sie die Erfahrung, dass es in diesem Teil der Welt verhängnisvoll war, wenn man das Militär gegen sich hatte. Sie griff in ihre Umhängetasche und zog einen großformatigen Digiprint heraus.
    »Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?« Sie konnte hören, wie Irene scharf die Luft einsog.
    Der Oberst kam um den Tisch

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