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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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du.«
    »Dann bist du genauso verrückt wie ich«, entgegnete sie seufzend. »Wir sind eben beide Außenseiter.«
    Sie strich mit ihrem Finger über seine Narbe. »Woher hast du die eigentlich?«
    Er holte tief Luft. »Willst du das wirklich wissen? Es ist eine Geschichte, die dir das Herz brechen wird.«
    Sie legte den Kopf schief.
    »Na schön. Ich war sechzehn und unsterblich verliebt. Das Dumme war, sie hatte einen zwei Jahre älteren Bruder, einen fiesen Typen, sage ich dir. Die ganze Schule hatte Angst vor ihm. Ich ging Arm in Arm mit ihr nach Hause, als er plötzlich mit zwei anderen Schlägern aus einem Gebüsch auftauchte. Solche Schränke sage ich dir. Der eine zog sein Messer und dann …«
    Hannah sah ihn tadelnd an. »Die Wahrheit, Chris.«
    Er sah sie verdutzt an. »Das ist die Wahrheit. Nun, vielleicht nicht ganz, aber die Geschichte kam bisher immer gut an.«
    »Ich will aber keine Geschichten von dir hören.«
    »Die Wahrheit ist längst nicht so aufregend.«
    »Das zu entscheiden solltest du mir überlassen.«
    Chris holte tief Luft. »Ich bin bei der Pockenimpfung in der Schule umgekippt. Einfach so. Und mit dem Kopf gegen den Medikamentenschrank geknallt. Paff! Als ich wieder aufwachte, war die Wunde mit dreißig Stichen genäht und mein ganzer Kopf verbunden worden. Eine Woche lang musste ich wie eine Mumie durch die Gegend laufen. Kannst du dir vorstellen, was das für meine zarte Teenagerseele bedeutet hat?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich muss gestehen, dass mir diese Version viel besser gefällt. Aus dem einfachen Grund, weil sie wahr ist.«
    Ganz langsam näherte er sich ihrem Gesicht. Sie zuckte zurück. »Nein, ich möchte das nicht.«
    Er packte sie an den Schultern. »Wie wäre es, wenn du zur Abwechslung auch einmal die Wahrheit sagen würdest.«
    Sie sah ihm trotzig in die Augen. »Die Wahrheit ist, dass es doch nicht klappen und nur Probleme bereiten würde. Und Probleme sind das, was ich im Moment am wenigsten brauchen kann. Zufrieden? Und jetzt lass mich los.«
    »Nein.«
    »Ich habe gesagt, du sollst mich loslassen.« Sie versuchte sich seinem Griff zu entwinden, aber er war zu stark. Mit beinahe brutaler Kraft zog er sie an sich und küsste sie. Zuerst versuchte sie sich dagegen zu wehren und ihn zu beißen, aber das schien ihm nicht das Geringste auszumachen. Ihre Versuche, ihn abzuschütteln, wurden immer schwächer. Seine Lippen waren weich und samtig. Er schob ihre Bluse hoch und begann ihre Brüste zu streicheln.
    »Soll ich immer noch aufhören?«, flüsterte er ihr ins Ohr. Statt zu antworten, begann sie, seine Hose zu öffnen. Seine Erregung war unübersehbar. Langsam und ohne jede Hast zogen sie einander aus und ließen ihre erwartungsvollen Hände über den Körper des anderen wandern. Eng umschlungen sanken sie am Fuß einer mächtigen Felswand zu Boden. Niemand würde sie hier finden, niemand konnte sie hören. Sie waren ganz allein mit sich und ihrer Lust.
     
    Als Hannah die Augen aufschlug, kam es ihr vor, als hätte sich die Wüste mit Leben gefüllt. Sie hörte den Wind sanft durch die Blätter einer jungen Palme wehen. Gras raschelte zu ihren Füßen, Insekten zirpten und von den Bergen hallte der Schrei eines Habichts wider. Das dunkle, trostlose Gebirge erschien ihr wie verwandelt. Überall entdeckte sie Leben, Geräusche und Licht. Es war wie an jenem Tag vor vielen Jahren, als sie zum ersten Mal ihren Fuß in die Wüste gesetzt hatte.
    Langsam richtete sie sich auf und blickte sich um. Sie musste wohl eingenickt sein. Kein Wunder, nach all der Leidenschaft, die nach den langen Monaten der Enthaltsamkeit wie ein Vulkan aus ihr hervorgebrochen war. Doch keine Spur von Chris.
    Wahrscheinlich erkundete er die Umgebung, während sie von wunderschönen wilden Dingen geträumt hatte. Sie wollte nicht nach ihm rufen. Das hätte die Magie dieses Ortes gestört, und sie fühlte sich immer noch wie in einem Traum.
    Lächelnd sammelte sie ihre Kleidungsstücke zusammen und zog sich an. Ihr Rucksack lag einige Meter entfernt hinter einem vertrockneten Busch. Sie hob ihn auf und folgte den Spuren, die Chris im weichen Sand hinterlassen hatte.
    Die Sonne war inzwischen ein ganzes Stück weitergewandert. Mühsam schaffte sie es, die kühlen Schatten zu durchdringen und den Weg vor ihren Füßen auszuleuchten. Ihr aufmerksamer Blick bestätigte, was sie schon bei der Betrachtung der Satellitenaufnahme vermutet hatte. Es handelte sich um ein ausgetrocknetes

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