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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Bachbett, in dem bis vor wenigen Jahren noch Wasser geflossen sein musste. Der Fels war in den unteren Bereichen deutlich dunkler gefärbt, teilweise waren sogar Spuren von Moos zu entdecken. Konnte es sein, dass sie hier einen Beweis für ihre Theorie fand?
    Sie blieb stehen und atmete tief durch. Nein, Schluss damit! Sie musste aufhören, einem Traum nachzujagen, andernfalls lief sie Gefahr, sich beruflich zu disqualifizieren. Bei jedem wissenschaftlichen Bericht standen nicht nur die Ergebnisse auf dem Prüfstand, sondern auch die Analysemethoden. Wenn sie wirklich etwas fand, würde die Fachwelt ihren Bericht mit größter Aufmerksamkeit lesen. Das Ergebnis sollte sich als Folge logischer, konsequenter Forschung präsentieren und nicht einer übernatürlichen Eingebung. »Der Weg ist so wichtig wie das Ziel«, hatte Professor Monod ihr die alte Zen-Weisheit immer wieder eingebläut, und er hatte Recht. Also Schluss mit den Fantastereien.
    Das Bachbett machte eine scharfe Biegung, und als sie ihr folgte, sah sie Chris. Er hockte vor einer Öffnung im Fels und starrte hinein.
    »Da steckst du ja. Ich hatte schon angefangen, mir Sorgen zu machen.« Hannah legte ihre Hand auf seine Schulter und gab ihm einen Kuss auf den Nacken. Er drehte sich um, und sie erkannte an seinem Blick, dass er etwas entdeckt hatte.
    »Ich wollte dich nicht stören«, sagte er. »Du hast so friedlich geschlafen, so unbesorgt.«
    »Dieses Gefühl habe ich lange vermisst. Schade, dass es schon vorbei ist. Und du? Es scheint, als hättest du etwas gefunden.«
    »Weiß ich noch nicht genau. Aber ich müsste mich sehr irren, wenn das nicht unser kleiner Freund ist.«
    Er deutete auf den massiven Felsblock, der wie ein Schlussstein über der Öffnung lag. Hannah trat näher heran. Tatsächlich, ganz langsam begann sich eine Form aus dem Gestein zu lösen. Sie war kaum zu erkennen, so stark war die Oberfläche an dieser Stelle verwittert. Doch nach und nach entdeckte sie die vertrauten Umrisse.
    »Du hast einen verdammt guten Blick, weißt du das«, bemerkte sie voller Anerkennung. »Ich wüsste nicht, ob ich die Form wiedererkannt hätte. Aber sie ist ganz eindeutig«, seufzte sie.
    »Was machen wir denn jetzt?«
    »Wir gehen natürlich hinein. Hast du eine Taschenlampe?«

12
    Der Eingang war so schmal, dass Chris sich hinlegen musste, um in der dunkle Röhre vorwärts zu kommen. Er verkeilte seine Füße in den Unebenheiten des Felsens und schob sich Zentimeter für Zentimeter nach vorn. Das Gestein schabte über seine Haut und zerrte an seiner Kleidung, als ob es ihn zurückhalten wollte. Zudem führte der Gang aufwärts, was die Krabbelei noch beschwerlicher machte.
    »Kannst du schon etwas erkennen?« Hannahs Stimme schien von weither zu kommen.
    »Nein«, ächzte er. »Der Gang ist viel zu eng. Ich muss noch tiefer vordringen, um etwas zu sehen.«
    Er biss die Zähne zusammen und schob sich noch ein Stück weiter. Plötzlich hörte er ein Knacken, und aus einem Spalt über ihm rieselte Sand. Wenn jetzt einer dieser tonnenschweren Blöcke über ihm absacken würde, wäre er hoffnungslos verloren. Niemand könnte ihn dann noch retten. Zum Glück litt er nicht unter Klaustrophobie. Er kannte Menschen, hartgesottene Wissenschaftler, die, ohne zu zögern, in den Schlund eines feurigen Vulkans steigen würden, aber in dieser Situation vor Angst gestorben wären.
    Chris arbeitete sich weiter vor. Da er mit den Füßen keinen Halt fand, zog er sich mit den Armen weiter, eine Kraft raubende Art der Fortbewegung. Ihm schoss ein unangenehmer Gedanke durch den Kopf. Wenn sich dieser Gang als Sackgasse erweisen sollte, hatte er ein Problem. Er bezweifelte, dass er die ganze Strecke nur mit der Kraft seiner Arme zurückkriechen konnte. Er würde feststecken wie ein Korken in der Flasche.
    Er hielt inne, um durchzuatmen. Die Luft roch modrig. Seltsam, dachte er. Das war immer ein Indiz für Feuchtigkeit. Es konnte nur bedeuten, dass sich irgendwo in diesen Felsen eine Wasserader befinden musste. Hannah hatte wohl doch Recht. Aber jetzt weiter. Nur nicht aufgeben. Er musste um jeden Preis das Ende des Tunnels erreichen, ehe ihn seine Kräfte verließen.
    Der einzige Gedanke, den er jetzt noch an sich heranließ, während er immer tiefer in die Dunkelheit kroch, war der Gedanke an Hannah. Sie war so verletzlich, als er sie schlafend zurückgelassen hatte. Verletzlich, aber glücklich. Er meinte, ein zartes Lächeln auf ihrem Gesicht gesehen zu haben, das

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