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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Scharfschützen versteckt halten. Er selbst bezog Posten auf einem höher gelegenen Abbruch und suchte das Tal mit seinem Fernglas ab. Als er wieder zu ihnen herunterkam, drückte sein Gesicht Betroffenheit aus. Chris empfand diesen Ausdruck als beunruhigend, denn er hielt Mano für einen ziemlich hartgesottenen Kämpfer.
    »Tot«, sagte der Tuareg in gebrochenem Französisch. »Alle tot.«
    Seine beiden Gefolgsleute nahmen die Botschaft mit grimmiger Entschlossenheit zur Kenntnis. Auf seinen Befehl hin luden sie ihre Maschinenpistolen durch und entsicherten sie. Chris und dem Rest des Teams gab Mano die strenge Order, erst zu folgen, wenn sie seinen Pfiff hörten. Für den Fall, dass sie Schüsse hören sollten, gab er den Befehl, unbedingt hinter den Felsblöcken zu bleiben.
    »Kennt ihr euch damit aus?«, fragte er und hielt zwei Schnellfeuergewehre hoch.
    Nur Gregori nickte.
    »Hier, nimm.«
    Widerwillig streckte auch Chris seine Hand aus. »Gib mir das andere. So, und wie funktioniert das jetzt?«
    Gregori erklärte es ihm in wenigen Worten. Chris nickte und beobachtete, wie Mano Issa und seine Männer ausschwärmten.
    »Verdammt, wir waren viel zu leichtsinnig. Jetzt sitzen wir ganz schön in der Scheiße.«
    »Ich habe euch doch gesagt, wir sollten bleiben, wo wir sind«, schaltete sich Irene ein. »Ich verstehe das Ganze nicht. Die Tuareg haben das Gebiet doch abgesucht und für sicher erklärt.«
    »Aber offensichtlich waren sie dabei nicht besonders gründlich.« Albert schnaubte wütend. »Außerdem haben wir die Rebellen deutlich unterschätzt.«
    »Und die Warnungen von Oberst Durand«, fügte Hannah hinzu. »Ich wünschte, er wäre jetzt hier bei uns.«
    »Aber das ist er nicht!« Malcolms Stimme bekam einen hysterischen Klang. »Es bringt nichts, sich jetzt über das Wenn und Aber Gedanken zu machen. Er sitzt hundert Kilometer entfernt in seinem gut bewachten Fort, liest Schuld und Sühne und schlürft Pernod.«
    Patrick kratzte sich am Kinn. »Wir sollten einen der Krieger losschicken, um Hilfe zu holen. Er müsste ja nur die Strecke bis zum Lkw zu Fuß bewältigen, den Rest könnte er fahren. Spätestens in acht Stunden wäre Hilfe da.«
    Anstelle einer Antwort erklang ein lang gezogener Pfiff.
    »Das ist das Signal. Kommt!« Chris sprang hinter dem Felsen hervor, das Gewehr in Vorhaltestellung. Die anderen folgten ihm, den Blick verängstigt auf die umliegenden Berge gerichtet.
    Das Lager war ein Ort der Verwüstung. Mano Issa stand neben den Leichen von sechs seiner Männer, die nebeneinander in einer Reihe aufgebahrt lagen. In ihre schwarzen Umhänge gehüllt, wirkten sie wie Boten aus dem Totenreich. Chris biss sich auf die Unterlippe. Er hatte noch niemals einen gewaltsam getöteten Menschen aus der Nähe gesehen. Der Anblick war alles andere als heroisch. Einem Mann fehlten große Teile der rechten Hand, einem anderen hatte man die Hälfte des Gesichts weggeschossen. Das Blut, das bereits geronnen war, klebte in zähen Schlieren im Haar. Am schlimmsten zu ertragen aber war der Anblick eines Kriegers, der zwar verwundet gewesen war, aber wohl noch gelebt hatte, als die Feinde das Lager erreichten. Man hatte ihm ohne Gnade die Kehle durchgeschnitten. Fünf weitere Leichen lagen in einiger Entfernung, dort, wo der Satellitenempfänger gestanden hatte. Albert Beck, der von ihnen den schwächsten Magen hatte, musste sich übergeben. Alle anderen standen tief betroffen vor den Toten.
    »Sie waren betrunken«, fauchte Mano Issa und deutete auf einige leere Weinflaschen, die neben den Überresten der Versorgungskisten lagen. »Verdammte Idioten, sie haben sich voll laufen lassen.« Angewidert spuckte er zu Boden. Chris wandte sich ab. Er hatte die Männer nicht gekannt. Auch wenn sie ihre Pflicht vernachlässigt hatten, so hatten sie es doch verdient, dass man sie mit Respekt behandelte. Er stellte fest, dass ihm dieses Land immer fremder wurde, Gregori bekreuzigte sich, alle anderen standen teilnahmslos da und wussten nicht, was sie sagen sollten. Über Hannahs rußgeschwärztes Gesicht liefen schmutzige Tränen. Chris ergriff ihre Hand und drückte sie. Das war das Ende der Expedition. Ende. Aus.
    Er ließ ihre Hand los und ging ein paar Schritte. Er musste sich ablenken, einen klaren Gedanken fassen. Vielleicht sollte er eine Bestandsaufnahme des verbliebenen Inventars machen. Schwarze Rußflocken trieben müde über den kleinen Teil ihrer Ausrüstung, der nicht gestohlen oder zerstört worden war.

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