Medusa
unregelmäßig geformten Gegenstand, der auf die Erde stürzte. »Es gab einen großen Wind, dann schlug dieses Ding auf der Erde auf. Es muss ein Beben gegeben haben.« Ihre Finger glitten über eine Darstellung, die Risse auf dem Erdboden zeigten. Menschen rannten erschrocken in alle Himmelsrichtungen davon. »Und dann kam das Wasser. Es sammelte sich und bildete Seen und Flüsse. Für die Menschen brach eine Ära des Friedens und des Wohlstands an. Schaut, hier sind große Tierherden zu erkennen und dort Gehöfte.«
Irene musterte die Bilder mit kritischem Blick. »Warum wurde den Sternendarstellungen eine so große Bedeutung beigemessen? Sie nehmen beinahe die Hälfte des gesamten Raums ein. Ich halte die Theorie, dass sie ausschließlich einer Standortbestimmung dienten, für unwahrscheinlich. Es muss mehr dahinterstecken.«
Chris nickte. »Das Gefühl habe ich auch. Die Positionsbestimmung war sicher nur ein Teil ihrer Funktion. Es gibt etwas, was ich bisher nur Hannah erzählt habe. Aus dem einfachen Grund, weil ich es mir bislang nicht erklären konnte. Ich habe ein Sternensystem gefunden, das auf allen vier Darstellungen deutlich hervorgehoben wird. Es ist dieses hier.« Er deutete auf einen unscheinbaren kleinen Fleck, der von einem Ring umgeben war. »Selbst mit einem starken Fernrohr ist es von der Erde aus nicht zu erkennen. Das System wurde erst im Jahre 1956 mit Hilfe moderner Radioteleskope entdeckt. Ich habe es genau geprüft. Ein Vergleich mit aktuellen Himmelskarten hat ergeben, dass dessen Position von den Urmenschen absolut korrekt eingezeichnet wurde.« Chris wartete gespannt auf die Reaktion der Anwesenden, als er ein halb ersticktes Keuchen hörte.
Alle richteten die Lichtkegel auf den Eingang und blickten in das grimmige Gesicht Mano Issas, der staubbedeckt aus dem Gang kroch. Abdu war sofort bei ihm und half ihm auf die Füße. Der Anführer der Schutztruppe wirkte beunruhigt. Er war zu erregt, um Französisch zu sprechen, und redete in kratzig klingendem tamaschek auf Abdu ein. Dabei deutete er immer wieder nach draußen. Niemand außer Hannah schien zu begreifen, was vor sich ging. An ihrem Gesichtsausdruck ließ sich ablesen, dass etwas Schreckliches vorgefallen sein musste.
»Was ist denn los?«, meldete sich Irene. »Was sagt er?«
»Er hat Rauch gesehen«, erklärte Abdu, und in seinen Augen war Furcht zu lesen. »Aus der Richtung, in der das Lager liegt.«
»Ja, und noch etwas«, fügte Hannah hinzu. »Es waren Schüsse zu hören. Schweres Maschinengewehrfeuer.«
Die Nachricht ließ alle vor Schreck erstarren. Das konnte nur eines bedeuten: Die Rebellen hatten ihr Lager entdeckt.
»Wir müssen zurück«, entschied Malcolm. »Unsere gesamte Ausrüstung ist dort, millionenteures Equipment. Wir müssen retten, was zu retten ist.«
Irene fuhr herum. »Du denkst immer nur an deine Ausrüstung. Was ist mit unserem Leben? Wenn dort wirklich gekämpft wird, wäre es eine Dummheit, zurückzukehren. Die Tuareg haben unser Lager zu verteidigen, nicht wir.«
»Trotzdem müssen wir zurück«, warf Hannah ein. »Wir müssen uns ein Bild von der Lage machen. Vielleicht sieht es von hier ernster aus, als es tatsächlich ist. Vielleicht gibt es aber auch Verwundete, die Hilfe brauchen. Wir wissen es nicht. Ich bin auf jeden Fall für einen sofortigen Aufbruch.«
Zustimmendes Gemurmel erfüllte die Höhle. Die Mehrheit der Anwesenden schien mit dem Vorschlag einverstanden zu sein. Nach einigem Zögern fügte sich auch Irene dem Mehrheitsbeschluss. »Also gut. Gott stehe uns bei.«
Es war schlimmer, als sie befürchtet hatten. Schon von weitem sah Chris, dass der Rauch dick und schwarz war. Brennendes Öl. Ein sicheres Zeichen dafür, dass der Dieselgenerator brannte. Dunkle Schwaden vermischten sich mit Staub, der von einem zunehmenden Nordostwind aufgewirbelt wurde. Der Geruch von verschmorter Elektronik lag über dem Tal. Stofffetzen und Plastikfolien wirbelten in einem Tanz der Zerstörung durch die Luft. Als sei das noch nicht genug, rollten von Osten her dunkle Gewitterwolken wie Unheilsboten über den Himmel. Es war ein Bild des Grauens. Chris lief es kalt über den Rücken, als er Leichname zwischen den umgestürzten Kisten und den zerfetzten Zelten sah. Mano Issa hob seine Hand und deutete nach links und rechts, eine Geste, die jeder sofort verstand. Allein oder zu zweit versteckten sie sich hinter Felsblöcken, um nicht in einen Hinterhalt zu geraten. Es konnten sich überall
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