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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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Eindringen eines Fremdkörpers: Hülle um schimmernde Hülle ihre zuckende Weichheit schützend, bewahrend, einmal hörte Sina ihre Stiefmutter zu einer Nachbarin sagen: Das arme Kind. Will Tänzerin werden und stolpert über ihre eigenen Füße, wirklich, sie hat keinerlei Grazie. Sie ist ungefähr so graziös wie ein Walfisch,
    Die Nachbarin hatte gelacht. Sina zerbrach sich den Kopf, was konnte die Stiefmutter meinen? Schließlich kam sie darauf: Sie war neulich im Flur über einen Schuh gestolpert. War hingefallen, hatte sich das Knie aufgeschlagen, dergleichen durfte nicht noch einmal passieren. Sina würde nun aufpassen. Würde sich um Grazie bemühen, fortan durch die Welt gleiten wie ein Fisch durch die Tief seestille: Aber wie kam es nur, daß Sina mit einmal überall anrempelte?
    Sina stieß gegen Tischkanten. Sie warf Gläser um. Sie blieb mit der Jacke an Türknäufen hängen, trat den Leutenauf die Füße, Sina hätte durch keinen leeren Ballsaal mehr gehen können, ohne sich blaue Flecken zu holen. Ihre Beine waren voll blauer Flecke, sie bekam eine Rolle in einem Kindermärchen. Sie war ein Pilz.
    War einer von fünf Pilzen, ihr Körper war ein weißer Fliegenpilzstengel. Auf ihrem Kopf thronte ein rotweißer Fliegenpilzhut, der immerzu rutschte, Sina biß die Zähne zusammen. Sah nicht zu den Elfen hinüber in ihren Wolken aus rosa Gaze. Verneigte sich aber tief vor der Elfenkönigin: wie man es ihr beigebracht hatte, sie hob den Arm, setzte einen Fuß hinter den anderen, beugte das Knie des Standbeins, ohne zu wackeln, sie mußte sich eben mehr Mühe geben. Mußte härter mit sich umgehen, mit elf war sie einen Meter siebzig groß. Überragte die anderen, wuchs aber immer noch weiter: Ihre kräftigen Arme wuchsen aus Blusen heraus, ihre Beine aus Hosen, ihre Gelenke wuchsen ins Ungelenke hinein, als auch noch ihre Brüste zu wachsen begannen, hörte sie auf zu essen. Wurde aber nur knochig vom Hungern,
    Du darfst deiner Stiefmutter nicht alles übelnehmen, Sinakind.
    Warum hatte er das zu ihr gesagt? Sie wußte es nicht mehr, der Satz stand allein da. Vatermutterseelenallein: obwohl sie sich daran erinnern konnte, wo er gefallen war. Auf dem Heimweg vom Wochenmarkt. Im Park, es war ein Wintersamstag gewesen. Der Vater war schnell gegangen. Ging immer schnell, stapfte mit gesenktem Kopf durch den Schnee, jedes Aufsetzen seiner Füße war fest und bestimmt: einem Zweck folgend. Dem Zweck, vorwärtszukommen, die leere kühle Wüste des Wochenendes rasch zu durchqueren: um baldmöglichst zurück auf seine Dächer zu gelangen, sie ging etwas hinter ihm.
    Er streckte die Hand zu ihr aus, ohne sich umzublicken, Sei vorsichtig, Sinakind. Der Weg ist völlig vereist hier,
    Er tat das, damit sie nicht fiel. Sie ergriff seine Hand. So gingen sie eine Weile, schweigend. Später gingen sie nebeneinander. Unter kahlen Bäumen, einem schneeschweren Himmel, einmal blieb er stehen und sprach einen Hund an. Der herrenlos an ihnen vorbeitrottete, dann an einen Busch pißte. Durch den weißen Dampf seines Urins sah er einen Moment lang zu ihnen empor: mit Augen voll gelber gleichgültiger Schwermut,
    Johannes am Telefon sagte,
    »Dann eben nicht! Wenn du jegliche Kommunikation verweigerst, bitte schön. Aber das ist aggressiv, was du da treibst! Das ist passiv aggressiv, das lasse ich mir nicht mehr bieten«,
    Hängte ein.
    Im Bad plätscherte die Dusche.
    Unter der Axel stand mit schon bekanntem Körper, bald würde ihr Zimmer wieder leer sein. Ihr Refugium. Das nur ihr allein Zuflucht bieten konnte, ein großer Raum, hell im Schneelicht. Vorhanglos. Bett Schrank Stuhl Tisch Ikearegal. Eine Palme. Ein Kalender, das erste von zwölf Blättern: Edward Hopper. Tür in einer weißen Wand, dahinter ein strandloses Meer. Über dem Tisch die Bilder der Toten: Vater, Mutter, Sina mit zehn. Sina im Tutu: Sinalina, was würde sie nun tun mit dem Tag?
    Durch den Park gehen, ins Hallenbad.
    Zu Gaby hinausfahren vielleicht? In das Haus am Stadtrand: Garten mit Schneemann, Katze am Ofen. Gaby, die Waffeln buk für Jenny und Lisa, die Töchter aus Toms und Gabys jeweiligen ersten Ehen, Tom schlugSahne dazu, die perfekte Familie. Eine Patchworkfamilie. Über Jahre zusammengeflickt. Gepolstert, geduldig und phantasievoll gestopft, eine bunte Decke zum Drunterkriechen auch für Sina Fischer,
    ‘Wenn Gaby und Tom es nicht hinkriegen, dann schafft es keiner!
    Und nun wollte Toms Tochter unbedingt bei Gabriele bleiben,
    Eher friert die

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