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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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ihre Shorts an.
    Später kochte sie für alle Spaghetti. Schmorte Paprikaschoten, deckte den Tisch, Jacques fütterte das Kind mit kleingeschnittenen Nudeln. Dann lagen sie auf den Sofas herum. Der Fernseher lief, ohne Ton. Sie rauchten, trankenBier, Jacques hatte eine CD aufgelegt: wieder Salsa, er sah zur Decke. War still jetzt, sagte dann plötzlich: »Ich liebe das Baby.«
    Durch die Terrassentüren sah man die Nacht. Jacques stand auf. Ging zur Terrassentür, sah hinaus auf den Golfplatz. Konnte nichts sehen: Der Golfplatz war ausgelöscht von der Dunkelheit, Jacques sagte: »Ich liebe es wirklich, bloß weiß ich nicht genau, wie das geht. Ich weiß nicht, wie das eigentlich funktioniert, das mit der Liebe und allem«,
    Sie wußte nichts zu antworten. Wußte nicht einmal, ob er tatsächlich zu ihr gesprochen hatte: oder zu seinem Spiegelbild, er blieb noch eine Weile da stehen. An der Terrassentür, die ihn spiegelte: ihn, Sina. Die Küchentheke, die brennende Deckenleuchte. Später übten sie Handstand auf dem Golfplatz, draußen im Dunklen.
    Am nächsten Morgen fuhren sie ans Meer. Es war noch früh, die Sonne stand tief. Blendete in den Augen, der Strand war lang, beinahe leer. Riesige Stege wanderten über ihn hin. Waren unerreichbar: begannen meterhoch über ihren Köpfen, brachen weit draußen in der Leere über dem Wasser ab, ihr Holz war zu schwarzem Silber verwittert. Das Wasser hatte vielleicht achtzehn Grad.
    War Jacques viel zu kalt, Sina ging allein schwimmen. Genoß die Gänsehaut, die über ihren Bauch, ihren Rücken rann wie eine Berührung, die Dünung war flach. Weiter draußen war das Wasser so still, daß sich der Schatten des Steges darauf kaum kräuselte. Schwimmend drehte sie sich auf den Rücken. Sah in den Himmel, dann zurück zum Strand: den eine Frau mit zwei Ziegen herunterkam.
    Die Ziegen waren weiß. Sie hatten Stricke um den Hals, die Frau führte sie ins Wasser. Die Ziegen machten kleine Sätze: versuchten vielleicht zu fliehen oder an den flachen Wellen emporzuklettern, Sina hörte die Frau etwas rufen. Die Ziegen begannen zu schwimmen. Ruderten wild mit den Vorderbeinen, die Frau hielt sich an ihnen fest. Rubbelte ihnen das Fell mit den Händen, Sina konnte nun hören, was sie rief: Nip! Tuck! Die Namen der Ziegen, die Frau hob die Hand, um Sina zu grüßen.
    »Good morning! Isn’t it a lovely morning«,
    Das Gesicht der Frau war dunkel. Ihr Haar war sehr hell, wie alt war sie? Um die fünfzig vielleicht, Sina sagte,
    »Ich wußte gar nicht, daß Ziegen schwimmen.«
    Die Frau lachte. Schwamm langsam auf Sina zu, sagte,
    »Die meisten Tiere können das doch. Sie können es, wenn sie müssen, und Ziegen schwimmen sogar ganz gut. Es ist sehr gesund für sie, wir kommen jeden Morgen hierher«, ihre Augen waren sehr hell in dem dunklen Gesicht. Sie sagte, »Wo sind Sie denn her?«
    »Deutschland«, sagte Sina.
    »Ich bin aus Deutschland.« »Tatsächlich!« sagte die Frau. »Ich nämlich auch, gewissermaßen. Meine Familie kommt aus Deutschland. Mein Vater«,
    Sie waren jetzt einander so nahe, daß Sina die Augen der Ziegen sehen konnte. Die Ziegenpupillen: schmale böse Höllenschlitze, die Frau sagte,
    »Mein Vater ist in Hamburg geboren, kennen Sie Hamburg? Ich wollte immer mal hinfahren und es mir ansehen. Er ist in den Dreißigern ausgewandert, ich wollte mir immer mal ansehen, wo er herkommt«, sie streckte Sina die Hand hin. »Judith«, sagte sie. »Ich bin Judith, willkommen in Amerika«,
    Sina ergriff die Hand. Trat Wasser. Suchte nach etwas, das sie hätte sagen können: zu einer Judith, deren Familie in den Dreißigern Deutschland verlassen hatte, schluckte Wasser im Versuch, den Ziegen nicht zu nahe zu kommen,
    »Sie müssen keine Angst haben«, sagte Judith. »Ziegen sind nette Tiere, in Tobago veranstalten die Leute mit ihnen Rennen. Kennen Sie Tobago? Eine Insel in der Karibik, ich habe da mal eine Weile gewohnt. Danach habe ich mir diese Ziegen besorgt«,
    »Sie sind wohl viel gereist«, sagte Sina. Um überhaupt irgend etwas zu sagen, Judith nickte.
    »Ich habe mal auf einem Schiff gearbeitet, als Sängerin. Auf einem Kreuzfahrerschiff, dann bin ich ein paar Jahre in Brasilien hängengeblieben. Ich war auch mal in Europa. In Spanien, in Portugal, nur nach Deutschland bin ich nicht gekommen«,
    »Es lohnt sich auch nicht«, sagte Sina. »Es lohnt sich nicht, nach Deutschland zu fahren«,
    Judith lachte auf,
    »Was lohnt sich denn schon. Von dem ganzen Kram, den man

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