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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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sie sich erinnert, die Verkäuferin sah in einer Liste nach, um die entsprechenden amerikanischen Größen zu finden. Er brauchte Wäsche für sie. Slips, Socken. Womöglich BHs: aber dem fühlte er sich nicht gewachsen, er kaufte eine Haarbürste. Eine Zahnbürste, Zahncreme, glaubte, alles Notwendige besorgt zu haben, da sah er das Kleid. Ein weißes Kleid, seidig und lose, ein Schleier blaugrauer Gaze war wie ein zweites Kleid darübergenäht. Er nahm es mit.
    Hatte aber damit eine Schranke durchbrochen. Mußte nun noch einmal zurückgehen in die Kosmetikabteilung, der Verkäuferin seine Situation gestehen, dann hatte er Duschgel in der Tasche, Bodylotion. Gesichtscremes. Ein Parfüm in einem milchweißen Flakon, das nach Blüten und Pfirsichen roch. Als er diesmal das Kaufhaus verließ, pfiff er vor sich hin.
    Drehte dann draußen ein zweites Mal um. Ging in die Herrenabteilung, kaufte zwei Hemden für sich, blau und weiß. Kaufte einen Pullover, ein Duftwasser von Calvin Klein, in ihrem Zimmer breitete er seine Beute vor ihr aus.
    Sie dankte ihm für die Jogginganzüge, die Wäsche. Lächelte, als sie das Parfum sah: schien sich tatsächlich darüber zu freuen, erst ganz zuletzt zeigte er ihr das Kleid. Da drehte sie den Kopf weg und weinte.
    Sie hinterließen Dr. Mathai die Adresse von Gabriels Haus. Notierten die Anschrift eines Arztes in Provincetown, der Sina betreuen sollte, Dr. Mathai begleitete sie zum Wagen. Drückte Roberts Hand, sagte,
    »Good bye, Mr. Brauer. Ich freue mich, daß ich Siekennengelernt habe, Sie sind wirklich ein erstaunlicher Mensch«,
    Unterstellte Robert also Güte. Unterstellte ihm Empathie, Verantwortungsgefühl womöglich, Robert korrigierte ihn nicht: hätte dann von dem Eis sprechen müssen. Von der Wirklichkeit des Eises: das aber vielleicht auch unter Dr. Mathai längst geborsten war, Dr. Mathai war fremd in Amerika. Lebte allein in einem Nest in Vermont, warum? Was tat er eigentlich hier, Sina hatte ihm ihren Namen überreicht wie ein Abschiedsgeschenk: I remember my name now, Dr. Mathai .
    Er hatte ihre Schulter gedrückt. Hatte gelächelt, Robert einen undeutbaren Blick zugeworfen, sie fuhren wieder durch den Wald.
    Durchquerten Schmelzwasserdeltas, nasser Schnee rutschte von den Ästen wie mißlungener Kuchen, Robert suchte nach der Kurve, während er fuhr. Nach der Stelle, wo der Junge gestanden hatte, er wußte nicht, ob er sie ihr zeigen würde, falls er sie fand. Er sagte: »Es war in diesem Wald, wo ich dich gefunden habe«,
    Sie gab keine Antwort. Er sah, daß sie die Augen geschlossen hatte, sie hatte wahrscheinlich Schmerzen. Er verstummte ebenfalls. Die Berge blieben zurück, er fuhr weiter. Nach Süden, aufs Meer zu, es war dieselbe Strecke wie in jener Nacht.
    Wie an jenem Tag: als er vom Krankenhaus zum Cape zurückgekehrt war, damals war er allein gewesen. Nun saß sie neben ihm, einen Moment lang fand er das vollkommen unwahrscheinlich. Mußte sich mit einem raschen Blick vergewissern, irgendwo unterwegs begann sie zu stöhnen. In den Kurven rollte ihr Kopf von einer Seite zur anderen, sie konnten nicht bis zum Cape durchfahren.Ein Bed and Breakfast fiel ihm ein: wo er einmal mit Julia gewesen war, die Tapete im Wohnzimmer war mit einer Bücherwand bedruckt. Im Dachzimmer war alles weiß umhäkelt außer der Seife im Waschbecken, es würde die Eisprinzessin vielleicht aufmuntern: dieses Klischee-Neuengland, er war dumm gewesen.
    Hatte nicht bedacht, daß sie die Treppe zum Dach nicht hinaufkommen würde, im Erdgeschoß gab es nur ein einziges Zimmer. Ein winziges Zimmer, mit einem einzigen schmalen Bett. Wo er sie nun also allein lassen mußte, sie legte sich sofort hin. Erwachte erst gegen Abend, er half ihr hinüber ins Wohnzimmer. Hatte eine Mahlzeit für sie aufgebaut: Käse, Brot, Trauben, die Hausfrau spendierte ihnen dazu ein Glas Wein.
    Der Alkohol bekam ihr nicht. Verschlimmerte ihre Schmerzen, löste einen Weinkrampfaus, dem er sich nicht gewachsen fühlte, nun endlich sickerte es in sein Bewußtsein: Im Haus auf dem Cape würde er mit ihr allein sein.
    Ohne Krankenschwester. Ohne Pfleger, Robert machte Essen, wusch, räumte auf. Zwang sie zu ihrer Gymnastik. Half ihr ins Bad: wo er einen Stuhl aufgestellt hatte, so daß sie sich zum Zähneputzen hinsetzen konnte, er wusch ihren Rücken, ihre Schultern. Stützte sie: wenn sie ihre Brüste wusch, ihre Scham, er sah solange aus dem Fenster. Redete irgend etwas: um weniger anwesend zu sein, während

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