Meer ohne Strand
Sorry.
Sagte: Listen! I said I’m sorry, o-kay,
Das Mädchen kauerte. Haarvorhang, zuckende Schultern, Wasser schwappte um den Baumstamm, auf dem sie saß. Tangsträhnen wuchsen aus seiner Krone: Totenweltlaub. Grünes Haar, das die Strömung kämmte, der Saft der Melone rann über Sinas Finger.
Einmal ein überfahrenes Gürteltier auf der Straße.
Ein-, zweimal ein überfahrener Waschbär, sie tauchten tiefer und tiefer ein in die Wildnis aus Straßen. Aus Causeways, Drives, Expressways, Highways, Thruways, Interstates, Scenic routes, Flußmündungen glänzten unter einer wäßrigen Sonne. Salzwassermarschen, hohes Riedgras. In Charleston stolperten sie in eine Kneipe.
In eine Show: Honey Juice The Magician Straight From The Island of Tobago, Honey Juice? Aber das war der Name, der auf dem Plakat an der Eingangstür stand, die Kneipe war kaum zur Hälfte gefüllt. Die Reggaemusik ließ den Boden vibrieren, würde Maurice aufwachen? Aber er schlief: den konzentrierten, unstörbaren Schlaf eines Kleinkinds, die Show hatte schon angefangen. Sie fanden einen Tisch nahe der Bühne. Bestellten Bier, der Magier schlug Backsteine mit der Handkante durch. Er war mindestens einen Meter neunzig. Das Haar hing ihm in dicken schwarzen Stricken auf den Rücken. Über der Brust, dem Bauch glänzte seine Haut wie Rohöl, die Gäste spendeten müden Applaus. Der Magier holte eine Zigarette hervor, steckte sie sich zwischen die Lippen. Tauchte die Hand in eine Schüssel, das Licht auf der Bühne erlosch. Dann flammte neues Licht auf: Die Hand des Magiers brannte. Er zündete seine Zigarette an ihr an. Schatten zuckten über sein Gesicht,
»Uralter Trick«, sagte Jacques und trank Bier.
Der Magier wedelte mit der Hand: angelegentlich, wie um ein Streichholz zu löschen. Die Scheinwerfer wurden wieder angeschaltet, dann bat er eine Frau aus dem Publikum zu sich auf die Bühne. Die Frau lehnte ab. Preßte sich in ihren Stuhl, ihr Begleiter hielt sie am Arm. Schirmte sie mit dem anderen Arm ab: vor dem muskulösenHalbnackten, der seine eigene Hand in Brand gesetzt hatte, Sina wußte genau, was jetzt kommen würde. Schlug die Augen nieder, versuchte, sich klein zu machen: unsichtbar, als sie wieder aufsah, sah er sie an.
Streckte die Hand nach ihr aus, sie erhob sich. Er kam ihr entgegen. Geleitete sie am Arm auf die Bühne, schob einen Stuhl für sie zurecht: neben dem seinen, sie setzten sich. Er war ihr sehr nah. Er sprach nicht zu ihr. Sie sah, daß er einen Draht in der Hand hielt. Es war ein dicker Draht, nicht sonderlich sauber, er glättete ihn mit den Fingern. Mit Bewegungen, die einem Rhythmus folgten: Aber es war nicht der Rhythmus der Musik, sie konnte seinen Atem hören. Konnte sein Gesicht sehen: das allmählich ausdruckslos wurde. Seine Augen wurden ausdruckslos, starr, er hielt ihr seinen Arm hin. Zeigte ihr, was sie tun sollte: mit beiden Händen über seinen Schoß greifen, eine Hautfalte an seinem Unterarm hochziehen, festhalten, sie flüsterte,
»Nein! Nein, ich kann das nicht, nein«,
Er packte ihre Hand. Legte sie auf seinen Arm,
Do it! Now!
Sein Arm vibrierte. Seine Haut war glitschig vor Schweiß. Im Licht des Scheinwerfers sah sie Schweißtropfen aus seinen Haaren rinnen, das Gewebe über seinen Muskeln war straff. War viel zu straff, viel zu naß, drohte ihr zu entgleiten, seine Lippen zogen sich von den Zähnen zurück. Er setzte den Draht an der Innenseite des Arms an. Der Draht hatte eine Spitze. Die Spitze preßte sich gegen das Gewebe, dellte es ein. Die Haut gab sehr plötzlich nach. Der Draht drang in den Arm ein. Kein Tropfen Blut kam. Der Draht war lang, an die fünfzig Zentimeter. Er drang langsam in den Arm ein, sie konnteden Mann stöhnen hören. Konnte ihn riechen: seinen Schmerz. Seine Anstrengung, das Gewebe widerstand. Drohte ihr wieder und wieder zu entgleiten: Aber dann würde der Draht am Knochen entlangschaben, sie wimmerte. Schweiß lief ihren Nacken, ihre Schläfen herunter. Das Ende des Drahts trat jetzt aus seinem Arm heraus. Er packte es, zog daran. Zog den Draht so weit durch den Arm, daß auf jeder Seite ein gleichlanges Ende herausstand, löste dann ihre Finger. Erhob sich, schwer atmend. Ging um sie herum, legte ihr den Arm auf die Schulter, sie fühlte ihre Finger nicht mehr.
Fühlte den Druck seiner Hand. Fühlte den Draht: dessen Enden bei jedem Schritt ihren Rücken streiften, während er sie zurückbegleitete zu ihrem Platz, er drückte ihre Schulter, bevor er sie
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