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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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Küßte ihr Schokoladenschaum aus dem Mundwinkel, sie lachten eine Menge über nichts von Bedeutung. Schließlich verlangte Robert die Rechnung. Sah flüchtig auf seine Kreditkarte, Valid until . Die Karte lief in sechs Wochen ab.
    Sie sagte: »Ich verstehe es nicht. Ich bin fast wieder gesund, aber ich erinnere mich immer noch nicht, ich habe immer noch Angst. Weil ich nicht weiß, wer es war, es könnte jeder gewesen sein. Vielleicht war es der Kerl mit der blauen Kappe, der gestern im Supermarkt Äpfel gekauft hat. Oder Colin vom Drugstore, warum habe ich sein Gesicht nicht gesehen? Während der Massage, Jeremy hat gesagt, die Muskeln erinnern sich. Aber vielleicht erinnernsie sich nicht an Gesichter. Vielleicht erinnern sie sich nur an Schmerz«,
    Vielleicht erinnerten sie sich auch an Lust.
    An Roberts Zunge, seine Finger, seinen Schwanz, er wollte, daß sich ihre Muskeln an ihn erinnerten. Wollte sich ihr einprägen bis hinein in die fühllosen Haarspitzen, die nervenlosen Nägel, sie wehrte ihn ab. Sie sagte: »Aber du wolltest es doch auch wissen, Robert. Du hast gesagt, du bist deswegen nach Amerika zurückgekommen. Zu mir. Du hast gesagt, du wolltest unbedingt herausfinden, was damals passiert ist«,
    Er sagte: »Ja. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt reicht es mir vollkommen, daß ich dich gefunden habe. Das ist das Wichtige.«
    Sagte: »Manchmal kann ich es gar nicht glauben, daß ich dich gefunden habe. Daß du da bist, das ist das einzig Wichtige. Daß du da bleibst, daß du nicht dein Schwanengefieder anziehst und mir wieder davonfliegst. Daß du nicht in deine Fischhaut schlüpfst und mir wieder davonschwimmst«,
    Sie lachte. Sagte: »Ach Robert, was redest du da«,
    »Sina Sinalina.«
    Erneut Münder, Hände. Wandernde Finger.
    Die zielstrebig sein konnten wie eilige Manager. Die dahinschlenderten, wunschlos und gedankenfrei wie Frauen an einem Frühlingstag, die Landschaft, durch die sie gingen, war ihnen bereits vertraut: Brusthügel Haarbusch. Trockene Ebenen, Rinnsale, sie war immer wieder neu.
    Veränderte sich ständig, im Wechsel der Lichteinfälle, der Tages-, der Jahreszeiten. Des Wetters, der Klimakatastrophen, manchmal war ein Dschungel über Nachtzur Kältesteppe geworden. Manchmal waren welkende Felder nach kaum einer Stunde wieder taufrisch, oder aus heiterem Himmel zuckten plötzlich Blitze, manchmal kamen die Finger vom Weg ab.
    Wurden streunende Hunde. Wurden versunken forschende Kinder: die sich verloren in Glattem und Rauhem, Straffem und Losem, manchmal wurden sie wieder zurückgerufen. Wurden zurückgepfiffen, gerügt, manchmal wurden sie ermutigt.
    Wurden angespornt, angefeuert. Verloren die Besinnung, wurden gierig. Schlangen herunter, was sie fanden, wie hungrige Halbwüchsige. Feierten es: wie hingerissene, die unerbittlich fortschreitende Zeit verfluchende Ehebrecher, sahen, akzeptierten alles Vorhandene wie die ganz Alten: Alles war nur geliehen. War furchtbar vergänglich. Mußte geleckt, geknetet, gesaugt, besungen werden, solange es noch da war: feste Männermuskeln, Sonnenbrüste.
    Ein Schwanz mit einem pulsierenden Stern. Seidigrauhe, sahnige Muschelmöse, lange lange Schenkel voll Narben. Der Ring eines weichen, zu fetten Bauches. Der Stumpf eines Fußes ohne Zehen.
    Sie sagte: »Verstehst du denn nicht? Ich kann doch nicht mein Leben lang nichts wissen. Zum Beispiel das Gazekleid, weißt du, warum ich geweint habe, als du es mir geschenkt hast? Weil es mich an ein anderes Kleid erinnert hat. Das ich auf der Reise mit Jacques hatte, und so geht es laufend. Laufend schieben sich Erinnerungen zwischen mich und die Gegenwart«, sie lachte auf. Sagte, »Aber es sind die falschen. Es sind nicht die Erinnerungen, die ich verloren habe«,
    So war es also: Laufend schob sich Früheres zwischen sie und ihn, Robert. In einer betrunkenen Nacht sprach er zu ihr von dem anderen.
    Weißwein, Sternenhimmel. Eine Matte auf dem Deck, Bekennerstimmung, er sprach von Natalie: die das Telefon abstellte, wieder anstellte. Die in einen Sessel fiel. Wieder aufsprang, sich hinsetzte, Ich brauche dich, Robert, bitte komm mit, er sprach von Striemen auf Natalies Schenkeln. Von Gewalttätigkeit, Sina warf die Arme um ihn. Schwor: Nie würde sie ihm dergleichen antun, er setzte sich auf. Sagte,
    »Aber das weißt du doch nicht. Du weißt ja nicht, wen du noch triffst, in deinem Leben«,
    Erwähnte Jacques’ Namen nicht: verschwieg, was er meinte. So daß sie etwas ganz anderes hörte als das, was er

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