Meeres-Braut
berichtigen. »Ich versuche es ja, aber ich mußte gegen meinen kleinen Bruder antreten und eine Herausforderung annehmen. Er hat die Zettel vertauscht. Also sind wir gekommen, um das Kristallei zu holen, nur daß wir jetzt in Schwierigkeiten stecken.«
»Das ist ja nun wirklich interessant. Wie lange, denkst du, wird es dauern, bis du hier fertig bist?«
»Wenn ich nicht binnen eines Tages in den Koboldberg zurückgekehrt bin, spielt es sowieso keine Rolle mehr. Deshalb schätze ich, daß ich wohl in einem Tag fertig sein werde, so oder so.«
Die Dämonin zückte einen Notizblock und einen Schreibstift, um sich etwas zu notieren. »Ich arbeite jetzt für Professor Fetthuf, um das besondere Pieps aufzubauen, und muß an exotischen Drehorten wie diesem recherchieren. Dann werde ich also melden, daß er nächstes Jahr frei ist. Danke.«
»Ein besonderes was?«
»Das war keine Verwirrung, das war die Zensur. Ich darf nichts darüber sagen. Ich habe mich hineingeschlichen, um es herauszubekommen, weil die Neugier ja auch mein vorherrschendes Gefühl ist, und tatsächlich habe ich Nada Naga bei der Probe gesehen, doch da hat mich der Professor erwischt, und dem Professor hat noch nie jemand etwas abgeschlagen. So weiß ich jetzt zwar alles darüber, darf es aber niemandem erzählen. Das ist wirklich phänomenal frustrierend.«
»Na ja, kannst du uns vielleicht helfen, wenn du schon gerade da bist? Che und Jenny sind in einem Käfig gefangen und ich lasse Roxanne Rokh schweben, aber wir stecken in einer Sackgasse. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Ach, hat denn der Rettungstrupp euch noch nicht gefunden?«
»Welcher Rettungstrupp?«
»Der Trupp, den der Simurgh losschicken wird, wenn sie davon erfährt.« Metria blickte sich um. »Das wird eine interessante Frage sein, ob sie rechtzeitig davon erfährt. Na denn bis bald.«
»Der Simurgh weiß noch gar nichts davon?« rief Gwenny verzweifelt. Doch da verblaßte die Dämonin bereits wieder.
Gwenny war erneut allein. Ihre Freunde steckten weiterhin im Käfig, und das Ei war fest verzurrt. Es schien nicht mehr die leiseste Möglichkeit zu geben, sie zu befreien, das Ei an sich zu nehmen und rechtzeitig zurückzukehren.
Das Koboldmädchen überlegte und gelangte zu einem Schluß. Sie brauchte nicht unbedingt Häuptling zu werden. Sie war sich sowieso nicht sicher, ob sie dafür überhaupt wirklich geeignet war. Auf keinen Fall aber durfte sie es zulassen, daß ihre Freunde aufgefressen wurden.
»Roxanne«, sagte sie. »Ich bin gekommen, um dein kostbares Ei zu stehlen. Das gebe ich zu. Ich wäre ja auch dazu bereit, es nur auszuleihen und dir zurückzubringen, aber ich glaube nicht, daß du damit einverstanden wärst. Und so bin ich nun zu einem Kompromiß bereit. Laß meine Freunde und mich ziehen, dann lassen wir unsererseits dein Ei in Frieden.«
Der Vogel überlegte. Aber Roxanne hatte gehört, was die Dämonin gesagt hatte, und nun wußte sie, daß Gwenny verzweifelt war. Ihre Gedankenwolke zeigte, wie Gwenny einschlief, Roxanne daraufhin wieder am Boden aufsetzte und sie packte.
»Aber du hast auch gehört, daß der Simurgh sich tatsächlich für uns interessiert«, versetzte Gwenny.
Offenbar verwarf Roxanne das als irrelevant oder als einen Versuch, sie hereinzulegen. Sie wollte lieber abwarten.
»Dann schleudere ich dich eben gegen die Wand!« schrie Gwenny plötzlich wütend. Sie wedelte mit dem Stab, so daß der Vogel wilde Kreise in der Luft vollführte. Doch sie machte ihre Drohung nicht wahr, weil sie befürchtete, daß Roxanne ihre Klauen in die Wand versenken könnte, um auf diese Weise wieder Halt zu bekommen, was ihr zum Sieg verhelfen würde.
Da erspähte Gwenny plötzlich den Felsentrakt, in dem sie sich einen Augenblick versteckt gehalten hatte. Das war ja ein Felsgarten! Nun erinnerte sie sich daran, daß Rokhs felsige Dinge liebten, beispielsweise Felskristall, Felswasser und Felsgärten. Das mußte der Privatgarten des Vogels sein.
»Ich werde deinen Felsgarten durcheinander bringen!« drohte Gwenny.
Roxanne krächzte. Die Drohung saß!
»Laß meine Freunde und mich ziehen«, wiederholte Gwenny.
Doch der Rokh wollte sich nicht darauf einlassen. Also ging Gwenny auf den Felsgarten zu, der aus Felsbrocken verschiedenster Größen bestand. Sie drückte gegen einen davon, doch er war zu schwer, um ihn zu verschieben.
Nun, dann würde Gwenny eben ihren Stab dazu benutzen. Sie fuhr damit herum – da geriet der Vogel ins Trudeln.
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