Meeres-Braut
so schnell, daß du nur noch verwaschen wahrzunehmen warst, und dann warst du plötzlich starr wie eine Statue. Das muß die Magie des Zeitkrauts sein.«
»Ja«, bestätigte Okra. »Wenn Roxanne uns angreifen sollte, können wir uns einfach beschleunigen und vor ihr fliehen.«
»Ich frage mich, ob der Samen auch andere beeinflußt«, warf Ida ein. »Mir scheint, wenn er es mit einer Person tun kann, müßte er es auch mit anderen können.«
Okra versuchte es. »Zeitkraut, mach Ida schneller und Mela langsamer.«
Idas Bewegungen verwischten sich. Mela erstarrte zu einer Statue. »Schnell, Zeitkraut, verwandle sie wieder zurück!« befahl Okra.
Ida wurde langsamer, bis sie wieder normal geworden war, bei Mela war es umgekehrt. Die drei verglichen ihre Beobachtungen und gelangten zu dem Schluß, daß der Samen des Zeitkrauts tatsächlich andere beeinflussen konnte.
»Das bedeutet, daß wir Roxanne auch verlangsamen können, ohne daß wir uns selbst verändern«, meinte Ida. »Das könnte der beste Weg sein.«
Mela musterte das Schloß. »Vielleicht sollten wir gleich das ganze Schloß verlangsamen«, sagte sie. »Wenn Roxanne im Begriff steht, Che aufzufressen, wird sie es nicht schaffen, bevor wir gekommen sind, um ihn zu befreien.«
Okra stellte sich vor dem Schloß auf. »Samen des Zeitkrauts, mache jeden im Namenlosen Schloß langsamer«, sagte sie.
Zwar schien nichts zu passieren, doch sie begriffen, daß der Schein trügen konnte. Sie gingen auf das Schloß zu.
Die Zugbrücke war hochgezogen, das Fallgatter unten. Der Graben war mit Wasser gefüllt, und sie waren sich nicht sicher, was darin lauern mochte. Aber Okra löste das Problem. »Wasser, werde langsamer.«
Das Wasser gefror. Sie schritten über die gefrorene Oberfläche.
Doch wie sollten sie nun in das versperrte Schloß? Es gab keine niedrigen Fenster, und das Tor war fest verschlossen.
»Vielleicht könntest du ja ein Loch in die Wand hauen«, schlug Ida vor. »So wie du die Treppen in die Klippe geschlagen hast.«
Okra ballte eine Faust und versuchte es mit einem Hieb. Es gelang ihr tatsächlich, einen Splitter des Wolkenstoffs abzuhauen. »Das Zeug sieht zwar nicht besonders zäh aus, ist es aber«, berichtete sie. »Es wird einige Zeit dauern, ein Loch hineinzuhauen.«
»Ich glaube nicht, daß wir noch viel Zeit haben«, warf Mela ein.
»Mach uns doch schneller«, schlug Ida vor. »Dann gelangen wir auch schneller ins Schloß.«
Okra beschleunigte alle drei. Dann begann sie zuzuhauen. Sie kam nur langsam voran, doch sie hatten ja jede Menge Zeit, weil sie in Wirklichkeit recht schnell arbeitete. Sie schlug erst eine Delle in die Wolkenmauer, schließlich dann ein Loch. Dann schob sie den Arm hindurch und ruckte an den Rändern, bis das Loch breit genug war, um hindurchkriechen zu können.
Das taten sie nun und fanden sich in einem leeren Wolkensaal wieder. Die Tür war geschlossen, doch Okra stieß sie auf. Als sie hindurchgeschritten waren, schloß sie sich wieder hinter ihnen mit einem Knall. Mela versuchte den Griff, aber die Tür war versperrt. Anscheinend ließ sie sich nur von der anderen Seite öffnen.
Jetzt befanden sie sich in einem schmalen Gang. Seine Wände bestanden aus Wolkenstoff, wie alles andere hier. Sie folgten ihm, bis er in einen mittleren Gang mündete, den sie solange entlang gingen, bis sie in einen großen Gang vorstießen. Der führte ins Innere des Schlosses, wobei er die Bekanntschaft von anderen Gängen seiner Größe machte und den Tribut kleinerer Gänge entgegennahm. Das war wirklich ein riesiges Schloß!
Sie gelangten an eine weitere geschlossene Tür. Diesmal nahmen sie ein kleines Wolkensofa auf und verkeilten die Tür damit, damit sie auf dem Rückweg hindurch konnten, ohne die Tür einschlagen zu müssen. Nun traten sie in einen riesigen Speisesaal, dessen sämtliche andere Türen verschlossen waren.
»Es ist wirklich gut, daß wir uns beschleunigt haben«, bemerkte Mela, »sonst würden wir nirgendwo einigermaßen schnell hinkommen.«
»Vielleicht sind die Leute hier ja im oberen Stock«, mutmaßte Ida. Denn bisher hatten sie keinerlei Anzeichen anderer Personen bemerkt.
Das klang vernünftig. Sie hielten Ausschau nach Treppen, doch wo immer diese Treppen sein mochten, lagen sie hinter versperrten Türen. Also stellte Okra mehrere Stühle auf dem Eßtisch übereinander und kletterte darauf, so daß sie die Decke erreichen konnte. In diese Decke schlug sie dann ein Loch. Auch das brauchte
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