Meeresblau
und wiederholte die Prozedur auf der anderen Seite der Eintrittswunde. Rinnsale dunklen Blutes tropften auf den schwarzen Sand.
„Ich gehe mal … ihr wisst schon.“ Jeanne suchte mit grün anlaufendem Gesicht das Weite, setzte sich auf einen der Felsen und verfolgte den Rest der Operation aus der Entfernung.
„Gleich ist es vorbei“, murmelte Maya. „Keine Sorge, unser Alan ist ein Genie.“
„Jetzt mal nicht so vorschnell.“ Er wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. „Der schwierige Teil kommt erst noch.“
Alan warf das blutige Skalpell in eine Plastiktüte und holte ein zweites Instrument aus dem Rucksack. Es sah aus wie eine silberne Zange, deren Enden in löffelförmigen Gebilden endeten.
„Ich hoffe nur, es ist nicht eines dieser Geschosse, die mit Widerhaken regelrecht gespickt sind. Wenn es nach mir ginge, wäre so was verboten.“
Er klemmte seine Zunge in den Mundwinkel, setzte die Löffel am Schaft der Harpune an und ließ sie behutsam in die erweiterte Wunde hineingleiten. Sein Gesicht zeigte höchste Konzentration. Maya begriff, welches Glück ihr das Schicksal mit Alans unerwartetem Erscheinen in die Hände gespielt hatte. Sie musste ihm, wenn das alles hier überstanden war, dringend auf Knien huldigen.
„Wo seid ihr? Kommt schon, ihr kleinen Scheißteile.“ Immer tiefer glitt das Instrument in die Wunde hinein, Zentimeter für Zentimeter. „Verdammt noch mal. So tief unten könnt ihr doch gar nicht sein.“
Plötzlich zuckte Christopher in ihren Armen zusammen. Seine Augenlider öffneten sich, gerade so weit, dass sie den blauen Schimmer der Iris sah.
„Schlaf“, flüsterte sie ihm zu. „Schlaf einfach weiter, hörst du?“
„Schneller kann ich nicht arbeiten“, presste Alan angestrengt hervor. „Ich muss vorsichtig sein, sonst … na bitte!“ Das hauchfeine Geräusch aufeinandertreffenden Metalls erklang. „Da haben wir sie. Okay, Maya, jetzt geht’s ans Eingemachte. Halt ihn ruhig, okay? Halt ihn um Gottes willen ruhig. Ich muss die Löffel jetzt so über die Haken schieben, dass ich das Ding rausziehen kann.“
Sie presste ein Stoßgebet hervor, während Alan die beiden Griffe des Instruments auseinanderzog. Ein Stöhnen kam über Christophers Lippen, und plötzlich sah er sie an. Verdammt. Obwohl sie wusste – oder viel eher hoffte –, dass er nichts spürte, war es ihr lieber, wenn er nichts von dieser Prozedur mitbekam.
„Alles okay.“ Instinktiv legte sie eine Hand über seine Augen. „Wir haben es gleich geschafft. Alles wird gut, Chris. Um Himmels willen, mach hin. Er ist wach.“
„Klappe! Ich mach so schnell ich kann.“
Christophers Finger packten ihre Hand und zogen sie beiseite. Ein verblüffter Laut kam über seine Lippen, als er sah, wie Alan mit hochrotem Gesicht die Griffe des Instruments auseinanderzog und ihm nebenbei zuzwinkerte.
„Was macht er da?“
Maya musste unpassenderweise lachen. „Er entfernt nur gerade eine Harpune. Nichts weiter. Sieh einfach nicht hin.“
Erneut erklang ein hässliches, metallisches Geräusch. Mit einer Neugier, die Maya unpassend erschien, sah Christopher zu, wie Alan das Instrument herauszog. Sie glaubte, die Haken in ihrem eigenen Fleisch zu spüren. Am Ende, als Alan die Harpune mit einem sanften Ruck herauszog und beiseite schleuderte, war sie es und nicht Christopher, die einen Seufzer der Erleichterung ausstieß.
Es war überstanden.
Maya würgte an dem Kloß in ihrem Hals. Warum gewann sie den Eindruck, sie hätte mehr gelitten als der Patient?
„Du bist gekommen“, hörte sie Christophers matte Stimme. „Ich wusste es.“
Sie fühlte sich elend und glücklich zugleich. In ihrem Kopf schien ein Vakuum zu herrschen. „Ich bin hier. Es ist alles in Ordnung. Und es tut mir so leid.“
„Nicht.“ Die Antwort war schwach, doch sie sah das Lächeln auf seinen Lippen. „Dir muss nichts leidtun.“
„Der Wind wird stärker.“ Alan wühlte geschäftig in seinem Rucksack. „Und das Meer kommt näher. Wir sollten uns beeilen. Sonst wird es gleich nass.“
„Als würde es dich zurückholen wollen.“ Sanft küsste sie Christophers Scheitel. Wieder kamen ihr die Tränen, und sie konnte nichts dagegen tun. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Jeanne zaghaft näher kam.
„Wenn du gehen willst, dann geh“, presste sie hervor. „Ich halte dich nicht wieder auf. Du gehörst nach da draußen. Nirgendwo anders hin.“
„Sie hat recht.“ Das Mädchen war bei ihr und setzte sich
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