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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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hätte.
    „Was ist los?“ Solander redete auf sie ein. „Was ist passiert? Maya, rede mit mir! Was ist passiert?“
    „Jeanne und Clara. Sie … ich …“
    Die Worte erstickten in ihrer Kehle. Verdammt, sie trug die Verantwortung! Für alles, was auf dieser Reise geschah. Stöhnend vollführte das Schiff ein Wendemanöver, doch Maya wusste, dass es aussichtslos war. Die Körper der Mädchen waren vom Mahlstrom der Brecher bereits verschluckt worden.
    Und dann sah sie Christopher.
    „Hilf ihnen!“, schrie sie ihm zu. „Sie sind dort unten! Sie ertrinken!“
    Er zögerte keine Sekunde. Unsanft bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge, flankte über die Reling und verschwand in der Dunkelheit.
    Alles verlangsamte sich, wurde leise und fern, während das Schiff wie ein Korken auf den haushohen Wellen tanzte.
    „Bitte nicht!“ Sie sprach die Worte wie ein Gebet. Wieder und wieder. „Bitte nicht … nicht … nicht.“
    „Sinnlos“, durchdrang eine Stimme ihren Schock. „Sie werden alle drei sterben! Seht euch diese Kaventsmänner an. Das überleben die niemals.“
    Wut kochte auf. Wie konnte dieser Idiot so etwas behaupten? Schockgefrostet stand sie an der Reling und hielt den Atem an. Der rasende Schlag ihres Herzens füllte ihr Denken aus. Solander schleppte einen weiteren Rettungsring heran, hievte ihn keuchend über die Reling, wollte ihn hinabwerfen – und schreckte zurück. Ein heller Schatten erschien in den Wellen.
    Christopher mit Jeanne in seinen Armen. Hustend klammerte sich das Mädchen am Rettungsring fest. Maya, Alan und Solander zogen an dem Seil, während der Rest der Crew sich am Eisengeländer oder aneinander festhielt und nichts tat, als zu gaffen. Meter für Meter näherte sich Jeanne dem Schiff, bis sie sie endlich an Deck ziehen konnten.
    „Du bist in Sicherheit, Kleines!“ Alan betastete ihr seltsam verdrehtes Bein. „Es ist gebrochen. Aber keine Sorge, das kriegen wir wieder hin.“
    „Wo ist Clara?“, brüllte der junge Mann. „Sieht sie irgendwer? Clara!“
    Maya beugte sich erneut über die Reling. Nichts war zu sehen, nur das rauschende, schäumende Meer. Doch dann tauchte er auf. Keine fünf Meter vom zweiten Rettungsring entfernt. Das Mädchen in seinen Armen war bewusstlos, ihr Körper schlaff wie der einer Puppe. Christopher legte sie über den Ring, schloss einen Arm um ihre Taille und hielt sich mit dem anderen fest.
    Ein zweites Mal begannen sie zu ziehen. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass er sich im Wasser nicht verändert hatte. Maya ratterte im Stillen sämtliche ihr bekannten Gebete herunter.
Er kann es kontrollieren
, beschwor sie sich.
Er weiß, wie es zu beherrschen ist
.
    Und tatsächlich! Christopher hatte Beine, keine Flossen. Alles schien normal. Maya stieß ein Stöhnen der Erleichterung aus.
    Während Alan die bewusstlose Clara untersuchte, sank Christopher schwer atmend gegen die Reling. Es war keine Erschöpfung, das begriff sie schnell, sondern der zu schnelle Wechsel zwischen Haut- und Lungenatmung. Während er sich hustend krümmte und das Wasser auswürgte, klopfte man ihm auf die Schulter und redete auf ihn ein, bis ein heftiges Zucken durch seinen Körper ging. Sein Blick traf Maya. Sie sah die bittere Erkenntnis. Großer Gott, es geschah. Hier und jetzt würde er sich verwandeln. Und alle Willenskraft half ihm nicht.
    Zeitlupenhaft ging er in die Knie. Seine Haut nahm einen silbrigen Schimmer an. Knöcherne Auswüchse zogen sich vom Ellbogen bis zum Handgelenk. Zwischen den Fingern, die länger und schlanker wurden, wuchsen Schwimmhäute. Fingernägel wurden zu spitzen Krallen, blausilberne Streifen schimmerten auf Brust, Wangen und Armen.
    Alle Versteckspiele waren vergeblich gewesen. Sie wussten und sahen es alle. Maya blickte in die Gesichter der Menschen. Hätte es der Wellengang nicht erfordert, immer wieder das Gleichgewicht auszubalancieren, wären sie zweifellos zu Salzsäulen erstarrt. Niemand sagte etwas. Kinnladen klappten nach unten. Augen weiteten sich. Sie sah ungläubige Bewunderung, Fassungslosigkeit, Entgeisterung und jene Neugier, die sich von Angst nicht tangieren ließ.
    „Großer Gott.“ Solander streckte einen Arm aus, als wollte er Christopher berühren. „Was ist mit dir los?“
    Er zuckte zurück. In seinem Blick lagen so viel Verzweiflung und Traurigkeit, dass es Maya das Herz zerriss. Sie wusste, was geschehen würde, und doch fuhr es wie ein Messer in ihre Seele, als er über die Reling sprang. Zurück in den

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