Meeresblau
helfen. Wir kommen mit dem Rest allein klar.“
Heilfroh, dem Job entronnen zu sein, gaben die beiden Jungen Fersengeld und stürmten nach oben. Maya schnappte sich einen der Kanister, präparierte das Wasser und begann einen spannungsabbauenden Tanz aufzuführen. Die Proben schüttelnd hüpfte sie durch den Raum, schüttelte ihre Haare, sprang auf Tische und Stühle und übte sich in merkwürdigen Verrenkungen. Dann schwang sie ihren Kanister wie eine Trommel, schlug darauf ein und hüpfte zu Alans Entzückung im Kreis herum.
„Oh ja“, flötete der Schiffsarzt, während er sich auf schlichtes Hüftwackeln beschränkte und sporadisch eine John Travolta-Pose einnahm. „Zeig’s mir. Mach mir den Crazy Horse.“
Maya tat, wie ihr geheißen. Das Homogenisieren war besser als ein Punchingball. Ihre Ängste und Verkrampfungen lösten sich, ihre Energien konnten wieder frei fließen. Als sie schließlich japsend innehielt und den Kanister zurück auf den Tisch hievte, ließ Alan umso verbissener seine Hüften kreisen. In Verbindung mit der dürren Gestalt, seinem roten Haar und dem Overall bot er einen skurrilen Anblick.
„Ich liebe es, mit dir zu homogenisieren“, schnurrte er. „Für dich würde ich glatt wieder hetero werden. Wusstest du, du dass du bei bestimmten Lichtverhältnissen wie ein hübscher Junge aussiehst? Pass bloß auf dich auf, wenn ich mir mal wieder einen zu viel hinter die Binde kippe. Vermutlich wird mich dein mythologischer Held von innen nach außen krempeln und meine Seele mit einem Schuss Zitrone verschlingen.“
Sie lachte, strich sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht und fächelte sich mit beiden Händen Luft zu. Das Körnchen eisiger Angst, das bei der Anspielung die Seele betreffend in ihrem Inneren wuchs, ignorierte sie mehr schlecht als recht.
„Auf fröhliches Isotopen-Messen im heimischen Skye. Aber so leid es mir tut, dich allein zu lassen, ich muss dringend Schlaf nachholen. Du entschuldigst mich? “
Sie versuchte, so viel Dankbarkeit wie möglich in ihren Blick zu legen. Ohne Alan wäre nichts so gekommen, wie es war. Ohne Alan wäre Christopher nicht mehr am Leben. Irgendwann, so hoffte sie, würde sie sich revanchieren können.
„Gute Nacht“, rief er ihr zu. „Ich meine, guten Tag. Wie auch immer. Schlaf gut, Süße.“
Wie müde sie tatsächlich war, spürte sie erst, als sie die Tür ihrer Kabine hinter sich schloss. Nachdem sie den eingesauten Overall gegen eine Jeans und ein schwarzes Hemd ausgetauscht hatte, fiel sie auf das Bett, schloss die Augen und schlief innerhalb von Sekunden ein.
„Verdammt!“ schrie jemand in weiter Ferne. „Ich hasse dieses Ding!“
Maya tauchte nur widerwillig aus der Tiefe ihres Schlafes auf. Benommen genoss sie eine Weile das monotone Auf und Ab der Wellen, während sie sich vorstellte, tief unten im Wasser zu ruhen. Abgelöst wurde dieser meditative Zustand von dem Gedanken, dass das Schiff gerade wie eine winzige, verletzliche Nussschale auf dem stürmischen Pazifik trieb.
„Hundekacke!“
Sie grinste. Offenbar war Robin wieder dabei, seinen Frust über die Macken moderner Technik abzubauen. Mit ausgestreckten Armen balancierte sie das Gleichgewicht aus, schwankte nach oben und arbeitete sie sich zum Heck des Schiffes vor. Die Wellen peitschten beeindruckend die See, aber sie hatte schlimmere Stürme erlebt. Noch immer stanken ihre Haut und ihr Haar nach faulen Eiern, aber dieses Aroma kannte sie als einen treuen Begleiter solcher Expeditionen. Kein Duschgel und kein Parfüm der Welt waren stärker als der Gestank verwesenden Meeresschlamms. Sie spürte den Sturm, die salzige Gischt, den Rausch entfesselter Elemente. Sämtliche Härchen ihres Körpers sträubten sich, Elektrizität kroch ihre Wirbelsäule entlang.
Als sie die Reling umklammerte, donnerte eine Welle gegen den Schiffsrumpf und hüllte sie in eine Gischtwolke. Ihr Körper spannte sich an. Höher und höher bäumten sich die Wellen auf, brachen krachend am Schiff und spien ihren weißen Atem in den Himmel hinauf. Bald zerrte der Sturm so heftig an ihr, dass sie sich kaum mehr festhalten konnte. Das Schiff fuhr mitten in ein Inferno hinein, und doch fürchtete sie sich nicht. Auf dieser Fahrt konnten ihnen die Elemente nichts anhaben, denn jemand beschützte sie, dessen Macht es mit jeder Urgewalt aufnehmen konnte.
Ein fantastischer Gedanke.
Ihre Muskeln und Sehnen brannten. Dieses Schauspiel aus ungezügelter Kraft zog sie in seinen Bann und gab
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