Meeresblau
schwarz glänzenden Strudel der Wellen. Weg von ihr.
Nein!
, schrie ihr Herz.
Er hat dir versprochen, zurückzukehren. Du musst ihm vertrauen. Du musst einfach. Ihr seht euch wieder
.
Doch die Sprache ihres Verstandes war eine andere. Jetzt, da das Geheimnis gelüftet worden war, gab es keine Hoffnung mehr auf ein gemeinsames Leben. Man wusste, wie nah sie sich standen. Und man würde sie benutzen, ihn in die Falle zu locken.
Ihr Verstand stand auf Durchzug. Selbst jene Region im Gehirn, die für instinktive Entscheidungen zuständig war, versagte ihr den Dienst. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Was sie denken sollte. In ihr gähnte eine alles erfüllende Leere.
„Hey!“ Irgendwer rüttelte sie an der Schulter. Alan. Sein hageres Gesicht war kreidebleich. „Maya. Herrgott, hör mir doch endlich zu.“
„Was?“ Sie versuchte, irgendwas zu fokussieren. „Ich … tut mir leid.“
„Sieh mich an.“ Die Hände des Schiffsarztes nahmen ihr Gesicht in die Zange und zwangen sie, ihn anzusehen. „Max ist rauf zum Sonar. Du weißt schon, dein eifersüchtiger Verflossener. Er heftet sich an Chris’ Fersen. Ich meine Flossen, was auch immer.“
„Was?“ Maya schnappte nach Luft, als ihre Wahrnehmung sich klärte. Menschen huschten umher wie panische Hühner, sofern sie sich nicht am Geländer festklammerten. Sie plapperten und schrien durcheinander, schlugen die Hände vor das Gesicht und gebärdeten sich wie tollwütig. Vor ihr lag die bewusstlose Clara, daneben kauerte Jeanne und weinte hemmungslos.
„Max und ein paar andere Idioten wollen die Jagd eröffnen“, erklärte Alan. „Trotz des Orkans. Dank der Technik dieses beschissenen Kahns ist unser Freund nirgendwo sicher.“
Ihr schlimmster Albtraum wurde wahr. Alles umgab sich mit surrealem Nebel, ohne den Anblick erträglicher zu machen. Eine Meute aus Biologen, Ozeanografen und Chemikern war in fiebrige Debatten vertieft. Sie rauften sich die Haare und beglotzten die Wellen, während sie mit lächerlicher Plumpheit darum bemüht waren, trotz des Seegangs auf den Beinen zu bleiben. Keiner dieser Menschen kümmerte sich darum, dass soeben zwei Mädchen verletzt worden waren.
„Max!“ Maya stieß einen gutturalen Schrei aus. Die Wut raubte ihr schier die Sinne. „Ich werde ihn umbringen. Ich werde ihn…“
„Ja, das wirst du.“ Alan bückte sich und hob Jeanne auf seine Arme. „Aber erst mal müssen wir die beiden runterbringen. Los, hilf mir.“
Wie ferngesteuert gehorchte sie. Erst, als Clara und Jeanne auf den beiden Liegen im Behandlungszimmer ruhten, die eine nach wie vor weinend, die andere leblos, nahm ihr Verstand seine Funktion ansatzweise wieder auf.
„Entschuldige mich kurz.“ Alan knackte mit den Fingerknöcheln. „Jemand muss diesem Arschloch das Rektum aufreißen.“
„Ich komme mit!“
„Nein! Bleib du bei den Mädchen. Clara geht’s den Umständen entsprechend gut, sie dürfte jeden Moment wach werden. Solander und ich machen das schon.“
Sie nickte resignierend. Beruhigende Floskeln murmelnd beugte sie sich über Jeanne, streichelte ihr Haar und prüfte nebenbei Claras Puls.
Bald erklang Geschrei von draußen. Sie hörte Alans Stimme, darauffolgend Max’ Gelächter. Jemand trat gegen eine der Kabinentüren.
„Du Mistkröte!“, hörte sie den Schiffsarzt brüllen. „Du erbärmlicher Idiot. Ich reiße dir die Froschaugen raus. Profitgeil seid ihr. Lass mich los!“
Die Tür flog auf. Mit unsanftem Tritt wurde Alan in den Raum befördert, gefolgt von Solander, den man nur wenig behutsamer hinterherschob.
Maya sprang auf Max zu, doch ehe sie dazu kam, ihre Hände um dessen Kehle zusammen zu schließen, wurde sie von hinten gepackt und festgehalten. „Verdammt, du Mistkerl, was soll das alles?“
„Nur die Ruhe“, erwiderte er selbstzufrieden. „Ich habe alles im Griff. Dein Liebster wird uns nicht entwischen. Das Sonar funktioniert tadellos. Wir haben ihn schon auf dem Bildschirm. Klar und deutlich.“
„Wir stecken mitten in einem verdammten Orkan“, fauchte Solander. „Das ist lebensmüde. Das ist idiotisch.“
„Nur wer wagt, der auch gewinnt.“ Max vollführte eine abwinkende Handbewegung. „Fürs Erste sperren wir euch besser ein. Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich mit sentimentalen Gutmenschen herumzuärgern.“
„Chris hat ihnen das Leben gerettet!“ Maya riss sich los und trat Max vor das Schienbein. Sein Schmerzenslaut brachte nur geringe Befriedigung. „Er hat ihnen das Leben
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