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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Hoffnung auf geistige Scheuklappen erfüllte sich nicht. Sie wussten, was er war. Sie wussten, wo er war, und setzten für die Jagd sogar ihr Leben aufs Spiel. Über sich sah er den Schatten des Schiffes, das auf den Wellen tanzte und einen Schweif heller Gischt hinter sich herzog. Der Ton des Sonars wurde so laut, dass jedes Signal wie ein Stromschlag durch seinen Körper jagte.
    Er floh vor diesem zermürbenden Lärm zum fernen Riff. Weißstreifendelfine tauchten aus der Weite des Meeres auf, begrüßten ihn mit einer Melodie aus Pfeif- und Klicklauten und ließen zu, dass er sich an ihren Finnen festhielt, um schneller voranzukommen. Das metallene Ungetüm blieb dicht hinter ihnen, und zum ersten Mal fürchtete er sich in dieser Umgebung. Seine Kraft war im Gegensatz zu der des Schiffes nicht unerschöpflich. Nach einer Flucht, die Stunden zu dauern schien, verkrampften die Muskeln seiner Arme und machten ein Festhalten unmöglich.
    Aus eigener Kraft schwamm er weiter, bis endlich das Riff in Sicht kam. Hierhin konnte ihm das Schiff nicht folgen, schon gar nicht im Sturm, denn die scharfen Korallenbänke schlitzten selbst dicke Stahlwände auf.
    Er versuchte, den Delfinen mithilfe von gedanklichen Bildern eine Idee zu vermitteln, und zu seiner Verblüffung taten sie genau das, worauf er hoffte. Während drei Tiere an seiner Seite blieben, zerstreuten sich die anderen klickend und pfeifend in sämtliche Himmelsrichtungen. Vielleicht würde es die Menschen verwirren und von seiner Spur ablenken.
    Nach einer kräftezehrenden Flucht durch die Schluchten und Gänge des Riffsystems fand er eine Höhle von ausreichender Größe. Die Delfine drehten ab, nicht ohne sich zuvor freundlich an ihn zu schmiegen und ihm zu versichern, dass sie in der Nähe bleiben würden. In der finstersten Ecke seiner Zuflucht sank er auf den Grund und erschlaffte, übermannt von bleierner Erschöpfung. Jeder Muskel tat weh. Noch immer hörte er das Signal und begann zu zweifeln. War es doch stark genug, um ihn durch Korallen und Stein hindurch auszumachen? Er hatte von einem Sonarsystem gehört, dass selbst Felsen durchdrang, doch war es bisher nur zu militärischen Zwecken benutzt worden. Nicht für wissenschaftliche Expeditionen. Abgesehen davon war dieses Sonar sehr viel lauter als das, was er hörte. So laut, dass es selbst ausgewachsene Pottwale betäubte. Vermutlich würde man einen der Gleiter einsetzen, um ihn aufzuspüren. Dank der Thermosensoren war es diesen Geräten möglich, warmblütige Tiere zu verfolgen und sich wortwörtlich an ihre Flossen zu heften.
    Es spielte ohnehin keine Rolle mehr. Selbst wenn sie wussten, wo er war – ihm fehlte die Kraft zu einer weiteren Flucht. Atem und Herzschlag verlangsamten sich, Müdigkeit wischte alle Verzweiflung beiseite und senkte sich wie ein schweres Tuch auf ihn herab. Neben ihm ruhte ein blaugrüner Papageifisch verborgen unter einer Hülle aus Schleim, die ihm half, seine Fressfeinde zu narren. Das Tier fühlte sich nicht gestört, öffnete und schloss in aller Ruhe sein Maul und ließ Wasser durch seine Kiemen strömen.
    Am Rande der völligen Erschöpfung übermannte ihn der Schlaf und zog ihn unerbittlich in seine Tiefe. Manchmal schreckte er auf, geweckt vom Lärm des Unwetters oder von einem schlimmen Traum. Der Sturm schien das Riff und die Welt aus den Fugen reißen zu wollen.
    Als trübes Dämmerlicht in die Höhle fiel und die Wut des Unwetters verebbte, fühlte er sich kräftig genug, eine weitere Flucht zu wagen. Kannte man sein Versteck, würden sie spätestens jetzt ihre Taucher schicken. Kannten sie es nicht, konnte er dem Sonar vielleicht mithilfe der verzweigten Schluchten und Gänge des Riffs entkommen.
    Eine Weile lauschte er auf die Umgebung und glaubte, das Geräusch eines Bootsmotors zu hören. Sollte er es wagen oder nicht? Was blieb ihm für eine Wahl?
    In dem Augenblick, da er sich zum Ausgang der Höhle vorwagte, zerbiss der Papageifisch seinen Kokon und huschte an ihm vorbei in das freie Wasser, ein flirrender Juwel aus Blau und Goldgrün. Haarscharf schrammte er an einem Taucher vorbei, der unvermittelt erschien. Der Mensch zuckte zurück, blickte dem Tier überrascht nach und setzte seinen Weg fort. Hinein in die Höhle.
    Dort draußen waren weitere Menschen, das spürte er, doch hierzubleiben war unmöglich. Er konzentrierte sich, für die Augen des Tauchers noch unsichtbar in der Dunkelheit, um unvermittelt hervorzuschießen. Von einem heftigen Schlag

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