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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Wahrnehmung zu haben, starrten Dutzende Augenpaare sie an. Verdammt. Er fühlte sich wie ein lebender Fisch auf einem Silbertablett, umringt von hungrigen Gaffern. Zum ersten Mal verfluchte er den Ruf, der ihm vorauseilte. Selbst ohne all diese Aufmerksamkeit wäre seine Aufgabe nicht die leichteste gewesen. Maya hingegen schien die Tatsache, dass die gesamte Crew sie begaffte, inspirierend zu finden. Stolz schmiegte sie sich an ihn, stahl sich einen Kuss und schnurrte wie ein Kätzchen. Doch dann ging ein Ruck durch ihren Körper.
    „Alan? Du bist es wirklich?“
    „So ist es“, kam es von irgendwoher.
    Ein Mann um die vierzig bahnte sich seinen Weg durch die Menge, schleifte eine monströse Tasche hinter sich her und ließ sie vor Maya zu Boden fallen.
    „Ist das zu fassen, was es für Zufälle gibt? Meine allerliebste Lieblingsforscherin.“
    Der Fremde klopfte ihr auf den Rücken und warf ihm ein Zwinkern zu. Sein lockiges, struppiges Haar glänzte wie frische Kastanien, seine grünen Augen blitzten spitzbübisch. Der Körper des Mannes war geradezu erschreckend hager, und doch strahlte er eine Energie aus, die einem Leuchtfeuer glich. Am interessantesten war seine Nase. Christopher hatte niemals ein derart beeindruckendes Exemplar gesehen. Sie prägnant zu nennen, wäre eine schamlose Untertreibung. Vielmehr glich sie einem scharfen Adlerschnabel, und doch passte dieser monströse Auswuchs perfekt in das Gesicht.
    „Wen hast du uns denn da Schönes mitgebracht?“ Der Mann klatschte in die Hände. „Ich bin hin und weg. Ist das nicht Dr. Jacobsen?“
    Christopher versuchte sich an einer bescheidenen Miene. „Der bin ich. Aber ich wäre dankbar, wenn wir auf übertriebene Höflichkeit verzichten könnten.“
    „Sehr gerne. Und dort? Die hübsche junge Dame?“
    „Ich heiße Jeanne.“ Seine Schwester zog unsicher den Kopf zwischen die Schultern. Alans aufgekratzte Art war ihr offenbar nicht geheuer. „Ich bin Christophers Schwester.“
    „Fein, fein. Wie ich heiße, wisst ihr ja schon.“ Der Mann gab eine verspielte Verbeugung zum Besten. „Und wenn ihr mich jetzt nett findet, dann seid vorsichtig. Ich bin als Schiffsarzt eingeteilt und habe die Lizenz zum Quälen. Was auch impliziert, dass ihr auf euer geschätztes Alter mich betreffend mindestens zehn Jahre draufrechnen solltet, um richtig zu liegen. Ich sehe aus wie fünfundzwanzig, gehe aber auf die Vierzig zu.“
    „Wie kommt es, dass du hier bist?“, fragte Maya. „Ich habe mir ein Bein ausgerissen, um dich wieder als unseren Schiffsigor zu bekommen, aber man sagte mir, du wärst restlos verplant.“
    „Das war auch so, meine Liebe.“ Alans gute Laune steckte jeden an, ob er es wollte oder nicht. „Aber dann fiel meine Expedition zum Großen Barrier Riff aus nicht näher definierten Gründen ins Wasser, und als keine zwei Tage später der Anruf kam, dass Dr. Marsh erkrankt war und man einen Ersatz für diese Fahrt sucht, war für mich alles klar. Hier bin ich nun. Fallt auf die Knie und bettelt um Gnade.“
    „Später, mein Lieber, später.“ Maya deutete auf den Steg, der soeben geöffnet wurde. Wie aufgescheuchte Hühner strömten die Menschen in Richtung Schiff, drängelnd, schubsend und kichernd. „Es geht los. Und ich werde noch heute Gebete zum Himmel schicken, dass du nicht wieder deine sadistische Ader an mir austobst.“
    „Es war nur eine Gelbfieber-Impfung“, protestierte Alan.
    „Mit einer gigantischen Nadel in meinen Hintern, du fieses Stück.“
    Christopher legte einen Arm um Jeannes Schulter und reihte sich mit ihr in die Menge ein. Alan und Maya wiederum verfielen in eine heißblütige Diskussion, ob die vom Schiffsarzt benutzten Nadeln aus reinem Sadismus ein paar Nummern zu groß waren oder nicht.
    Als sie das Schiff betraten, vertiefte sich seine Nervosität zu etwas, wofür ihm nur der Begriff Schicksalsgefühl einfiel. In den nächsten drei Monaten würde er seine brennenden Fragen beantworten. Es war eine Reise zu sich selbst, ein Ausloten unbekannter Tiefen und die Suche nach der großen Aufgabe. Er war gespannt, was das Schicksal für ihn bereithielt.
    Wellen schwappten gegen die Schiffswand. Ein winziges Bullauge befand sich etwa zwei Meter über der Meeresoberfläche und milderte das Gefühl, in einer Metallkiste gefangen zu sein.
    „Hier sollten wir das Fenster besser nicht nachts offen stehen lassen, was?“ Jeanne verstaute ihre Kleider in dem lächerlich kleinen Wandschrank und glühte vor

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