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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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seine Finger ihr weiches Fleisch. „Sie sind so tief, dass sie in dir vibrieren. Im Wasser werden die Schwingungen Tausende Kilometer weit getragen. Von einem Ozean zum anderen.“
    Maya gurrte etwas in sein Hemd hinein. Er spürte ihr Verlangen, in seine Welt einzutauchen, aber wie sollte er sie dorthin entführen, wenn selbst für ihn alles noch ein Geheimnis war? Ein Labyrinth voller Wunder und Schrecken.
    „Würdest du mit mir die Laudatio halten?“ sagte sie nach Momenten der Stille. „Bitte. Ich sterbe jedes Mal vor Lampenfieber.“
    „Natürlich. Was immer du willst.“
    Aneinander geschmiegt sahen sie das Land in der Ferne verschwinden. Zuerst verblasste der Umriss der Küste zu einem violetten Streifen, umkränzt von Wolken. Dann löste er sich zu einem Schemen auf, der nicht viel mehr als eine Ahnung war, um schließlich ganz in den Wellen unterzutauchen. Zurück blieb nichts außer Blau. Das ewige Blau des offenen Meeres.
Sechs Seemeilen vor der chilenischen Küste
    M aya betrachtete die versammelte Crew. Ausnahmslos jeder bis auf sie trug inzwischen das dunkelblaue Expeditionsshirt, verziert mit dem Symbol des Instituts. Ein springender Orca, umgeben von einem Dreieck. Es machte sie nervös, vor all diesen Menschen zu stehen, auch wenn Christopher, der seelenruhig neben ihr stand, ihr viel von seiner Kraft abgab. Ein paar der Blicke, die auf ihr ruhten, zeigten die übliche Verwunderung. Wie eine Meeresbiologin mit Professortitel sah sie nun wirklich nicht aus, mit ihrer abgeschnittenen Jeans und dem grauen Shirt, auf dem in Brusthöhe mit weißen Lettern
I’m surrounded by idiots
stand.
    „Die übliche Begrüßungsformel erspare ich mir.“
    Sie drehte ihren Zeigestock in den Fingern und achtete darauf, ihre Stimme fest klingen zu lassen. Um nicht einmal den Verdacht von Unsicherheit zu erregen, erwiderte sie die misstrauischsten Blicke mit allem ihr zur Verfügung stehenden Selbstvertrauen. Merkwürdigerweise halfen die Schmerzen an ihren Fußgelenken, sich zusammenzureißen. Katapultierten sie Maya doch zurück zu jenen Momenten, die sie mit Christopher im Regen verbracht hatte. Miteinander vereint, aufgelöst in Ekstase. Dass sie nicht einmal wahrgenommen hatte, wie ihre Fußgelenke dank des rostigen Geländers wund gescheuert wurden, sprach für das Ausmaß der Liebeslust.
    „Ich gehe davon aus, dass Sie alle wissen, wo Sie sind und warum Sie sind, wo Sie sind. Mit Sicherheit kennen Sie inzwischen auch unseren Ehrengast. Dr. Christopher Jacobsen. Frisch von St. Andrews in unser Institut geschneit.“
    Beifall erklang, den der Mann, dem er galt, mit einem galanten Lächeln beantwortete. Die Gesichter der Crew, ob männlich oder weiblich, sprachen Bände. Wäre dies sonst der Moment wilder Tuscheleien gewesen, herrschte nun ehrfürchtige Stille. Es überraschte sie nicht. Selbst wenn man die äußeren Attribute ausklammerte, strahlte Christophers Aura wie ein Leuchtfeuer in dunkler Nacht. Kein guter Anfang. Und doch machte es sie unsagbar stolz.
    „Bring’s hinter dich, Süße”, zischte jemand in der Menge. „Wir wollen nicht ewig hier brüten. Die Arbeit wartet, du verstehst?“
    Maya verdrehte die Augen, während Christopher ein paar Zentimeter zu wachsen schien und offenbar zu einer Entgegnung ansetzte. Schon gut, sagte sie mit Blicken. Lass das mal meine Sorge sein. Urheber der Störung war Max, ein rothaariger, grünäugiger Klischee-Ire aus Dublin, dem sie während ihrer ersten Forschungsreise zu nahe gekommen war. Ihr Techtelmechtel hatte sich als großer Fehler herausgestellt. Allerdings war nur sie zu dem Ergebnis gekommen, während Max Stein und Bein schwor, genau der Richtige für sie zu sein. Breitbeinig lümmelte er in seinem Sitz und trug ein selbstgefälliges Grinsen zur Schau. Im Nachhinein konnte sie nicht begreifen, was sie jemals an diesem Mann gefunden hatte. Er sah nicht einmal gut aus. Seine hervorquellenden Augen ähnelten denen eines Frosches, seine Gesichtszüge waren schwammig weich und die Haare kurz und rau wie die eines Dackels. Über einen glänzenden Charakter oder sprühende Intelligenz verfügte Max ebenfalls nicht. Wie es dieser Kerl geschafft hatte, sein Ozeanografie-Studium mit Auszeichnung abzuschließen, war ihr ein Rätsel. Schmiergeld? Beziehungen?
    „Mein allerliebster Max.“ Sie ließ ihre Stimme vor Sarkasmus triefen. „Schön, dass wir in den Genuss deiner Meinung kommen durften. Und jetzt sei still, sonst bist du der Erste, der kielgeholt

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