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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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liebe. Tsi ge yu i.“
    Mit den Fingerspitzen fuhr er über ihr Gesicht und strich ihr die Haare zurück. Eine überwältigende Zärtlichkeit lag in seinen Augen. „Sie gefällt mir, deine Legende.“
    Er küsste ihre Schulter, so vorsichtig, als wollte er sich für seine vorherige mangelnde Finesse entschuldigen. Als er schließlich erneut begann, sich in ihr zu bewegen, diesmal sanft und langsam, wusste Maya, dass ihr Sehnen eine Antwort gefundenhatte. In diesem Mann. In ihrem Fabelwesen.

    Das Forschungsschiff Astero war größer als erwartet. Genau genommen war es das größte Schiff, auf dem er je gereist war. Doch als Christopher die Menge an wartenden Menschen sah, erschien es ihm wiederum zu klein. Zu voll würde es für seinen Geschmack allemal werden, aber das war ihm von Anfang an klar gewesen.
    Schwitzend zupfte er an seinem Leinenhemd, dessen dunkelblaue Farbe die Sonnenhitze regelrecht aufsog. Manche der Wartenden erkannte er schnell als freundliche Exemplare, andere nahmen die obligatorischen Plätze der Miesepeter, Nörgler und versnobten Wichtigtuer ein. Am liebsten waren ihm die Studenten. Sie waren meist noch offen, unverfälscht und geprägt von gesunder Neugier. Aufmerksamkeit flog ihm auch hier in gewohntem Maße zu, geäußert in Händeschütteln, Lobreden und fast peinlichen Huldigungen, doch in keinem Gesicht las er Argwohn. Ihre waghalsige Aktion auf dem Balkon schien keine Konsequenzen nach sich zu ziehen. Aber selbst, wenn es so gewesen wäre – die Gefahr war es hundert Mal wert gewesen. Nein, tausend Mal. Der Nachhall jener Momente im Regen schmeckte derart süß, dass seine aufkochende Erregung selbst die Nervosität durchdrang.
    Er war dem Ziel ganz nah, und damit der Lösung eines drängenden Rätsels. In seinem Kopf war es ungeachtet dessen still, es gab kein Säuseln und kein Raunen, allerhöchstens ein zaghaftes Flüstern an der Grenze seiner Wahrnehmung. Gestern, während er Maya geliebt hatte, waren die Stimmen erneut auf ihn eingeströmt, doch nachdem er einen Schwall Aggression zurückgeschickt hatte, war Ruhe eingekehrt. Auf gewisser Ebene amüsierte ihn dieses vorsichtige Wispern in seinem Kopf, das auszutesten schien, ob er wieder bereit war, ihnen zuzuhören.
    Und das war er.
    Bleibt dem Schiff fern
!, sprach er in Gedanken und hoffte, dass sie ihn hören konnten.
Sie werden euch sonst sehen
.
    Die Stimmen antworteten augenblicklich.
    Wie sollten sie das können? Wir bleiben tief unter Wasser. Komm zu uns. Widerstehe nicht länger, jetzt wo du hier bist. Aber wie kann es sein, dass du erst fern warst und jetzt so nah?
    Christopher ließ sich Zeit mit dem Antworten. Mental zu kommunizieren, fühlte sich seltsam an, und doch fiel es ihm so leicht, als hätte er nie etwas anderes getan. Es unterschied sich kaum von gewöhnlichen Gedanken, er formulierte die Worte lediglich deutlicher in seinem Kopf und sandte sie hinaus, so wie er die in ihm summende Energie ausgesandt hatte, um das Meer zu beruhigen. Nur kurz war er versucht, diesen Vorgang wissenschaftlich zu analysieren, denn schnell wurde ihm klar, dass es nichts brachte. Er bewegte sich auf einem gänzlich unerforschten Feld und versuchte sinnbildlich zu rennen, noch bevor er laufen gelernt hatte.
    Seine Artgenossen hatten also keine Ahnung von menschlicher Technik. Nun, er würde es ihnen ein anderes Mal erklären. Jetzt stand ihm nicht der Sinn nach langen Erläuterungen. Obwohl er inzwischen die dritte Wasserflasche austrank, glaubte er immer noch, zu vertrocknen. Die Zunge klebte am Gaumen, seine Beine schmerzten.
    Ihr werdet tun, was ich sage
!, befahl er den Stimmen.
Die Menschen besitzen Geräte, die ihnen zeigen, was tief unter Wasser liegt. Sie werden euch sehen, wenn ihr dem Schiff nahe kommt. Bleibt mir fern, es sei denn, ich rufe euch. Ich werde euch beschützen, aber das kann ich nur, wenn ihr tut, was ich sage
.
    Die Stimmen raunten durcheinander. Er spürte Verwirrung und Enttäuschung.
    Komm zu uns
, wisperten sie schließlich.
Warum bleibst du bei deinen Feinden? Warum verleugnest du deine Welt
?
    Christopher hätte um ein Haar laut aufgestöhnt.
Ich bin hier, um euch zu helfen. Also tut, was ich sage
.
    Die Stimmen aus dem Meer verstummten, das Geschnatter der Menschen hingegen wurde lauter. Expeditionen waren aufgrund der erzwungenen Nähe zu Fremden noch nie leicht für ihn gewesen, aber jetzt, da sein gesamtes Weltbild zerstört und neu zusammengefügt wurde, fühlte er sich noch weniger

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