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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Gesicht glühte vor Verliebtheit. „Zum Schluss noch etwas, das mir persönlich am Herzen liegt. Versucht bitte, Demut und Achtung vor dem Meer zu empfinden. Ich möchte, dass ihr es nicht nur mit den Augen eines Wissenschaftlers betrachtet. Ich möchte, dass ihr euch jeden Tag mindestens zehn Minuten gönnt und einfach mal dort hinausschaut. Ich will, dass ihr in euch geht und euch bewusst macht, was das Wesen des Ozeans ausmacht und was er in euch berührt. Ich möchte, dass ihr euch in Bescheidenheit übt und daran denkt, dass der Mensch nur ein kleiner Teil des großen Ganzen ist. Wo finden wir in einer Welt, in der nur noch Wachstum und Effizienz zählen, ein Zuhause? Ist es nicht viel eher so, dass wir uns selbst verlieren? Bedenken Sie zwei Dinge, meine Damen und Herren: Erstens hat sich der Mensch sehr viele Erfindungen von den Tieren abgeschaut und sie imitiert. Zweitens ist er das einzige Lebewesen auf diesem Planeten, das blöde Fragen stellen kann. Drittens ist er ein sehr junges Produkt der Evolution, in seiner jetzigen Form gerade mal ein paar Hunderttausend Jahre alt. Nehmen wir dagegen den Hai. Er existiert seit vierhundert Millionen Jahren, und das so gut wie unverändert. Was bedeutet, dass er ein makelloses Wesen ist, an dem nichts verbessert werden muss. Manche glauben, er sei dümmer als wir. Aber ist er das wirklich? Ist er dumm, weil er keine Autobahnen baut, keine Steuern zahlt oder Flugzeuge erfindet?“
    „Ist in Norwegen ein Platzhirsch explodiert?“ Max verdrehte gelangweilt die Augen. „Süße, was willst du uns damit sagen?“
    „Sie will damit sagen“, warf Christopher ein, „dass du verglichen mit einem Fangschreckenkrebs wie ein schwammiger, unbeholfener Gewebeklumpen daherkommst.“
    „Autsch“, frotzelte Max.
    „Die Augen dieses Tierchens besitzen zehn Sehpigmente“, fuhr er mit einem Lächeln fort. „Du als Mensch nur drei. Der Krebs kann also nicht nur zwanzig Mal mehr Farben unterscheiden, seine dreidimensionale Wahrnehmung übertrifft die deine zudem bei Weitem. Er erlegt seine Beute mit einem Schlag seines Fangbeins und entwickelt dabei nicht nur die Wucht eines Kleinkalibergeschosses, sondern reagiert zudem innerhalb von drei Millisekunden. Damit verfügt er über die schnellste Reaktion dieses Planeten.“
    „Du hingegen triffst beim Pinkeln nicht mal das Klo“, warf Maya ein. „Und du sabberst im Schlaf.“
    Die Crew gackerte, Max zog eine Grimasse.
    „Wir kennen gerade einmal ein Prozent der in der Tiefsee lebenden Geschöpfe.“ Christophers Stimme nahm einen nachdenklichen Klang an. „Wir begreifen noch nicht einmal annähernd die Prozesse und Wechselwirkungen dieser Welt. Sie ist sehr viel komplexer und sehr viel geheimnisvoller als wir ahnen, daher sollten wir uns für ein bisschen Demut nicht zu schade sein und gewisse Paradigmen überdenken. Ich kann Mayas Worte nur bekräftigen. Wir leben auf einem blauen Planeten. Unser Blut verfügt über den gleichen Salzgehalt wie das Meer. Auf gewisse Weise ist das Meer in uns allen. Behandelt es also so, wie ihr selbst behandelt werden wollt. Mit Respekt. Was passiert, wenn Profitgier über jede Vernunft siegt, haben wir neulich im Golf von Mexiko erfahren.“
    Ein paar nickten zustimmend. Andere begafften Christopher wie eine himmlische Erscheinung. Seelenruhig stand er da, ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Ob seine Gelassenheit nur äußerlich war, vermochte Maya nicht zu sagen, doch sie konnte sie nicht teilen. Niemand hier ahnte, welches Geheimnis ihn umgab. Niemand konnte sich auch nur entfernt ausmalen, was sie erfahren und erlebt hatte. Während sie die metaphorische Schallplatte wie ihren Augapfel hütete, um ihre wunderbare Musik wieder und wieder genießen zu können, würden andere sie zerstören, um ihr Innerstes zu analysieren. Ungeachtet dessen, dass sie so niemals ihre wahre Schönheit erfahren würden.
    „Kommt raus!“ Einer der Besatzungsmänner stürmte durch die Tür und präzisierte seinen Gefühlsausbruch mit wilden Gesten. „Da sind Buckelwale. Direkt neben dem Schiff.“
    Das losbrechende Chaos übertraf alles, was Maya bisher an Bord erlebt hatte. Wie losgelöst stolperten alle durcheinander und übereinander, schubsten, drängelten und purzelten umher wie eine Herde aufgescheuchter Hühner. Sie legte den Zeigestock beiseite und schaltete den Beamer aus, während Christopher ihr einen vieldeutigen Blick zuwarf.
    „Ich habe noch nie erlebt, dass sie direkt ans Schiff gekommen sind.

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