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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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Kommando. Steine lagen auf dem Pfad zu ihren Füßen. Sie bückte sich, hob mit jeder Hand einen auf und sah wieder nach vorn.
    Der Wolf, der Iestyn die Stirn bot, schnappte und knurrte. Drohend. Prüfend. Lucy drehte sich beinahe um.
    Sodass ihr seine beiden Gefährten entgangen wären, als sie in Sichtweite gerieten, stumm wie Rauch.
    Ihr schlotterten die Knie. Ihre Arme zitterten. Aus Madadhs Kehle drang leises Knurren.
    Iestyn brüllte: »Fort mit euch! Ich befehle es euch!«
    Die Wölfe vor Lucy fletschten die Zähne. Sie lachten. Madadh sträubte das Fell und schüttelte sich.
    »Conn«, flüsterte Lucy.
    Reue öffnete sich wie ein Abgrund in ihrer Brust. Ihre Handflächen waren schlüpfrig vor Schweiß. Sie umklammerte die Steine fester. Sie wollte ihn nicht verlassen. Nicht so, da so vieles unausgesprochen und ungelöst zwischen ihnen stand.
    Der Schatten direkt vor ihr machte einen Satz. Sie schrie auf. Dann sah sie einen undeutlichen Blitz aus Schnelligkeit, Zähnen und Augen, bevor sich Madadh auf ihn stürzte und beide Körper mit einer Wucht zusammenprallten, die sie zu Boden warf, wo sie sich mit schnappenden Kiefern und reißenden Krallen wälzten.
    Sie hörte Iestyn ächzen und spürte ihn hinter sich schwanken, als er einen zweiten Angriff parierte. Alles war Kampfeslärm und Angst und Verwirrung. Sie warf einen Stein und verfehlte ihr Ziel. Schleuderte den zweiten und beobachtete, wie er wirkungslos auf der Flanke des Wolfes auftraf. Die sie umkreisenden Wölfe kamen näher. Hinter ihr taumelte Iestyn und stieß zu. Etwas Warmes spritzte über ihren Fuß.
    Sie blickte nach unten.
Blut.
    Madadh jaulte auf.
    Dann sah Lucy rot.
    Raserei flutete in ihren Bauch, erfüllte ihre Brust, strömte durch ihre zitternden Beine, um sie zu stärken. Sie spürte, wie es sich in ihr schlängelte und anschwoll, wie ausgedehnte, glitschige Schauer des Zorns durch ihren Körper bis in ihr Gehirn wogten. Es waren zu viele, um sie kontrollieren, zu große, um sie bezähmen zu können. Schmerz sägte in ihrem Gehirn, hinter ihren Augen stachen Scherben von Licht. Indem sie die Arme emporschleuderte, schrie sie: »Genug!«
    Das Wort ging wie ein Blitz von ihr aus und schlug in dem knurrenden, sich windenden Knäuel ein, das Madadh und der Wolf bildeten. Von Iestyn hörte sie einen Schmerzens- oder Überraschungsschrei, roch verschmortes Fleisch und brennendes Haar und sah entsetzt zu, wie beide Tiere zuckten und regungslos zusammenbrachen.
    O Gott. O Gott.
Ihre Arme fielen herab. Sie schluchzte.
Was hatte sie getan?
    Der Hund kam blutend und taumelnd wieder auf die Beine. Der Wolf blieb auf dem Boden liegen, ohne sich zu rühren.
    Iestyn holte hinter ihr hörbar Luft.
    Sie drehte sich um. Der Junge stand schwankend über dem zusammengesackten Kadaver des ersten Wolfs. Unter seinem lohfarbenen Schopf leuchtete kreidebleich sein Gesicht. Blut sickerte aus einem zerklüfteten Biss an seinem Arm. Die Hand mit dem Messer baumelte nutzlos an seiner Seite.
    Bei ihrem Blick grinste er zitterig und wechselte die blutverschmierte Klinge in die andere Hand.
    »Nummer zwei«, sagte er.
    Lucy schluckte und nickte, während sie sich alle Mühe gab, sich nicht zu übergeben.
    Weitere Schatten quollen zwischen den Felsen hervor. Weitere Wölfe, die lauerten, die sie umkreisten.
    Warteten.
     

[home]
    14
     
    Der lange schwarze Schatten des Bergfrieds kroch über das Kopfsteinpflaster und maß die Zeit wie eine riesige Sonnenuhr.
    Ungeduld wälzte sich zäh durch Conns Adern. Er wollte nicht hier im Schatten des Burghofs stehen und Griff zuhören.
    Lucy brannte in seinem Gehirn, wie sie es in seinen Visionen getan hatte, mit ihrem langen, wachsamen Körper und dem schmalen, beherrschten Gesicht, das Haar so gelb wie reifes Korn. Er trug ihr Bild in seinem Geist – Lucy, wachend und schlafend, nackt und kommend. Mit ihm. Unter ihm.
    Er hatte sich verirrt in ihr, war gefangen in dieser sterblichen Frau, wie es sein Vater in der See gewesen war.
    Der Vergleich ließ ihn mit den Zähnen knirschen. Er war nicht Llyr, der mit seinen Kleidern auch alle Verantwortung abgeschüttelt hatte.
    Und wenn er an diesem Vormittag nicht so offensichtlich beschäftigt gewesen wäre –
besessen, berauscht
–, dann würde Griff nun vielleicht auch keine Geschichten darüber erzählen, dass seine Wächter in dunklen Ecken Komplotte schmiedeten.
    »Glaubst du, dass Morgan hinter meinem Rücken intrigieren würde?«
    Griffs dunkle Augen waren finster. »Ich

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